Exklusiv-Interview für Gesundheit-Rhein-Nahe / Joachim Kübler.

  1. Warum könnten die folgenden Maßnahmen helfen, dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken, und wie schätzen Sie die aktuelle Entwicklung ein?
  • Die neue „Generalistische Ausbildung“
  • Eine mögliche Aufwertung der Ausbildung von Pflegehelfern
  • Zuzug von Pflegekräften aus dem Ausland

Die gesundheitliche und pflegerische Versorgung in Rheinland-Pfalz steht durch den demografischen Wandel vor neuen Herausforderungen. Künftig werden in allen Versorgungsbereichen mehr Pflegekräfte benötigt. Eine gute pflegerische und gesundheitliche Versorgung der Bürgerinnen und Bürger zu sichern, ist eine zentrale Zukunftsaufgabe. Gemeinsam mit unseren Partnerinnen und Partnern im Gesundheitswesen und in der Pflege arbeiten wir daran, dass mehr junge Menschen den Weg in die Pflege finden. Wir legen dabei großen Wert auf eine zukunftsorientierte und moderne Pflegeausbildung und setzen uns für eine bundeseinheitliche Ausbildung der Pflegehelferinnen und Pflegehelfer ein.

Um die künftige Nachfrage nach qualifizierten Fachkräften zu decken, bedarf es weiterer Anstrengungen bei der Gewinnung, Qualifizierung und Bindung von Fachkräften. Ein wichtiger Baustein zur Fachkräftesicherung ist die Zuwanderung ausländischer Pflegekräfte. Um die Anerkennungsverfahren zu beschleunigen, haben wir die Anerkennungsbehörde zentralisiert und begleiten ausländische Pflegekräfte im Anerkennungsprozess. Zur Unterstützung der Pflegeeinrichtungen in Rheinland-Pfalz bei der Rekrutierung von ausländischen Fachkräften planen wir aktuell ein Projekt, das den gesamten Prozess von der Zuwanderung aus dem Ausland über die Ausbildung oder Anerkennung ausländischer Pflegeabschlüsse bis zur Integration in Rheinland-Pfalz in den Blick nimmt.

  1. Der Selbstbehalt bei den Kosten für stationäre Einrichtungen wurde vom Gesetzgeber zwar etwas gebremst – dennoch ist der Betrag über die Jahre hinweg für manche Menschen nicht bezahlbar, oder das über ein Leben ersparte Vermögen geht verloren: Wäre es für den Einzelnen nicht wirtschaftlicher, wenn die Pflegeversicherung zu einer Vollkaskoversicherung würde?

Ich habe mich bereits als Sozialminister immer sehr deutlich für eine Pflegevollversicherung ausgesprochen, übrigens genauso wie Malu Dreyer. Dafür werde ich mich auch als Ministerpräsident weiter einsetzen.

  1. Aktuell werden rund 75 % der an Demenz erkrankten Personen von Angehörigen zu Hause gepflegt. Der Entlastungsbetrag in Höhe von 125 Euro im Monat (Pflegegrad I) kann aber nicht einfach für vertraute Freunde und Nachbarn eingesetzt werden, weil erst die ADD prüfen muss: Warum kann man diesen Betrag nicht unkompliziert zur freien Verfügung nutzen?

Angebote zur Unterstützung im Alltag müssen nach dem Pflegeversicherungsrecht ein Konzept vorweisen, das Angaben zur Qualitätssicherung, zur Qualifikation der Helfenden und zur kontinuierlichen fachlichen Begleitung und Unterstützung besonders der ehrenamtlich Helfenden beinhaltet. Das ist der bundesgesetzliche Rahmen, den die Länder näher ausgestalten.

Dem steht die berechtigte Erwartung der pflegebedürftigen Menschen und ihrer Angehörigen gegenüber, möglichst unkompliziert die Leistungen der Pflegekassen abrufen zu können. In Rheinland-Pfalz haben wir deshalb das Modell der Mini-Angebote im Bereich hauswirtschaftlicher Hilfen geschaffen, das für die erfolgreiche Registrierung der helfenden Person lediglich ein Führungszeugnis und einen absolvierten Erste-Hilfe-Kurs erfordert. Mittlerweile können wir bereits über 1.600 Registrierungen allein im Bereich dieser Mini-Angebote verzeichnen.

  1. Immer häufiger hört man, dass Finanzinvestoren stationäre Einrichtungen, Kliniken und Arztpraxen aufkaufen, auf Profit trimmen und das Personal für wenig Geld arbeiten muss. Wie wollen Sie dieses Geschäftsmodell begrenzen oder verhindern?

Das ist eine Entwicklung, die wir uns sehr genau anschauen. Für sich betrachtet sind Investitionen in Gesundheit und Pflege zu begrüßen. Allerdings ist der Staat gefordert, wenn Beiträge der Sozialversicherung, Steuermittel sowie Eigenbeteiligungen von Patientinnen und Patienten oder pflegebedürftigen Menschen dazu dienen, exorbitante Renditeziele zu erfüllen, die mit einer Reinvestition in die Gesundheitsversorgung und Pflegestrukturen nichts zu tun haben.

Die Landesregierung hat sich deshalb über den Bundesrat für die Schaffung eines MVZ-Regulierungsgesetzes stark gemacht und vergleichbare Lösungen auch im Pflegebereich gefordert. Für den Pflegebereich hat der Bund zugesagt, die Vorschläge gemeinsam mit den Ländern zu prüfen.

  1. Und schließlich werden von Leiharbeitsfirmen Pflegefachkräfte teilweise gegen deutlich mehr Geld abgeworben und müssen von den Einrichtungen, mangels Alternativen, wieder teurer eingekauft werden: Ist das im Sinne der Politik?

Die Länder haben sich hierzu im Bundesrat klar positioniert. Rheinland-Pfalz hat die Ausarbeitung der Forderungen initiiert. Bei der Initiative geht es beispielsweise um die Frage einer Deckelung des Anteils von Leiharbeitskräften, aber auch um eine Deckelung der Kosten, die den Gesundheits- und Pflegeeinrichtungen berechnet werden dürfen. Wir brauchen aber auch insgesamt bessere Rahmenbedingungen, um als Alternative zur Leiharbeit Springer- und Ausfallkonzepte zu finanzieren, ohne damit pflegebedürftige Menschen durch zusätzliche Kosten zu belasten.

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