Interview-Serie: Tipps für pflegende Angehörige
Pflege braucht Selbstführsorge
Das Pflegenetz Bad Kreuznach nimmt die Herausforderungen pflegender Angehöriger in den Fokus.
„Pflegende Angehörige zögern oft zu lange, bevor sie sich Unterstützung holen. Die physischen, psychischen und finanziellen Risiken werden häufig unterschätzt“
Im ersten Interview gewährt uns eine pflegende Angehörige Einblicke in ihren belastenden Alltag. In den folgenden Monaten kommen Fachkräfte zu Wort, die konkrete Wege und Unterstützungsmöglichkeiten für Betroffene aufzeigen.
Sie finden die Interviews nach und nach auf dieser Seite zum Nachlesen. Wenn Sie die Interviews automatisiert und kostenlos erhalten wollen, können Sie sich auch hier für unseren Newsletter anmelden.
Das Pflegenetz Bad Kreuznach nimmt die Herausforderungen pflegender Angehöriger in den Fokus.
„Pflegende Angehörige zögern oft zu lange, bevor sie sich Unterstützung holen. Die physischen, psychischen und finanziellen Risiken werden häufig unterschätzt“
Im ersten Interview gewährt uns eine pflegende Angehörige Einblicke in ihren belastenden Alltag. In den folgenden Monaten kommen Fachkräfte zu Wort, die konkrete Wege und Unterstützungsmöglichkeiten für Betroffene aufzeigen.
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Interview-Serie: Tipps für pflegende Angehörige
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Einblicke in den Alltag einer pflegenden Angehörigen
Das Interview führte Joachim Kübler.
Die Pflege von Angehörigen kann ein 24-Stunden-Job sein und zu einer physischen und psychischen Belastung werden. Zudem birgt die Pflege von Angehörigen berufliche und damit auch finanzielle Einschnitte. Joachim Kübler, vom Pflegenetz Bad Kreuznach, sprach mit einer pflegenden Angehörigen. Sie spricht stellvertretend für viele Menschen mit pflegebedürftigen Angehörigen. Da sie anonym bleiben will – nennen wir sie hier Frau Müller.
Frage:
Wir haben heute die Gelegenheit, mit Frau Müller zu sprechen, die sich als pflegende Angehörige engagiert. Frau Müller, vielen Dank, dass Sie sich die Zeit nehmen, über Ihre Erfahrungen zu sprechen. Lassen Sie uns direkt einsteigen. Wie erleben Sie die emotionale Belastung als pflegende Angehörige?
Frau Müller:
Guten Tag. Ja, die emotionale Belastung ist definitiv eine Herausforderung. Die ständige Auseinandersetzung mit den gesundheitlichen Problemen und Bedürfnissen meines Familienmitglieds bringt eine Vielzahl von Gefühlen mit sich. Fortschritte gibt es in der Pflege eher weniger, das ist für mich als Angehörige oft deprimierend, bei der Pflege von einem alten Menschen geht ja eher insgesamt bergab als bergauf. Es gibt aber auch viele schöne Momente der Nähe und der Vertrautheit. Der Umgang mit dieser emotionalen Achterbahn kann ziemlich anstrengend sein.
Frage:
Das kann ich mir vorstellen. Neben der emotionalen Belastung wurde auch der Mangel an Zeit für sich selbst und für den eigenen Alltag als Herausforderung genannt. Wie erleben Sie persönlich diesen Verlust an persönlichem Raum?
Frau Müller:
Tatsächlich habe ich viel weniger Zeit für mich, das ist manchmal belastend. Die häusliche Pflege erfordert eine intensive Betreuung, und das bedeutet, dass meine eigenen Bedürfnisse oft hinten anstehen. Es gibt kaum Momente für mich allein, und das kann zu einem Verlust persönlicher Freiräume führen. Man muss lernen, sich in einem ständig geteilten Raum zurechtzufinden.
Frage:
Verstehe. Ein weiterer Aspekt, den Sie angesprochen haben, betrifft die berufliche Entwicklung. Wie haben sich für Sie berufliche Einschränkungen aufgrund der Pflegeverantwortung ausgewirkt?
Frau Müller:
Berufliche Einschränkungen waren definitiv ein Thema. Es war notwendig, meine Arbeitszeit zu reduzieren, um der Pflege gerecht zu werden. Zeitweise habe ich sogar überlegt, vorübergehend ganz aus dem Beruf auszusteigen. Meine Pflegeverantwortung hat klare Auswirkungen auf meine berufliche Entwicklung und damit auf mein finanzielles Einkommen und auch auf die späteren Rentenansprüche.
Frage:
Das klingt wirklich herausfordernd. Ein weiterer Punkt, den Sie angesprochen haben, ist das Gefühl der Überforderung. Wie gehen Sie mit der Vielzahl von Aufgaben um, die mit der Pflege verbunden sind?
Frau Müller:
Das Gefühl der Überforderung ist im Alltag oft präsent. Die Vielzahl von Aufgaben, angefangen von der täglichen Körperpflege über die Hilfen, die im Haushalt anfallen bis hin zu organisatorischen Aspekten, kann überwältigend sein. Es erfordert eine gute Organisation und manchmal auch die Bereitschaft, um Hilfe zu bitten. Die Priorisierung von Aufgaben und die Einteilung der Zeit sind entscheidend. Es hilft mir auch einfach mal was wegzulassen, was vorher unbedingt gemacht werden musste.
Frage:
Ein weiterer interessanter Punkt ist die Schwierigkeit bei der Selbstwahrnehmung. Wie beeinflusst die Pflegerolle Ihre Selbstwahrnehmung?
Frau Müller:
Die Pflegerolle kann tatsächlich die Selbstwahrnehmung beeinflussen. Es ist für mich eine Gratwanderung, mich selbst nicht nur als Pflegende, sondern auch als eigenständige Person zu sehen. Manchmal fühlt es sich so an, als ob die Pflegerolle meine persönliche Identität überlagert, daher ist es mir wichtig mit auch neben aller Anforderungen bewusst Zeit für meine eigenen Interessen und Bedürfnisse zu nehmen.
Frage:
Das sind wichtige Erkenntnisse. Wie gehen Sie mit der Einschränkung der persönlichen Freiheit um, die oft mit der Verpflichtung zur Pflege einhergeht?
Frau Müller:
Die Einschränkung der persönlichen Freiheit ist eine Realität. Spontane Aktivitäten oder Reisen sind im Alltag für mich schwer umsetzbar. Es erfordert eine Anpassung meiner eigenen Erwartungen und die Fähigkeit, auch in begrenzten Freiheitsgraden Glücksmomente zu finden.
Frage:
Absolut. Ein letzter Punkt, den Sie genannt haben, betrifft fehlende Freizeitaktivitäten. Wie gehen Sie damit um und wie schaffen Sie es, persönlichen Ausgleich zu finden?
Frau Müller:
Für mich ist es z.B. schon entspannend, wenn ich Zeit in meinem Garten verbringen kann oder einfach mal die Zeitung mit mehr Ruhe lese und eine Tasse Kaffee dabei genieße. Selbst wenn es nur kurze Pausen sind, ist es wichtig für mich Hobbys oder Aktivitäten zu pflegen, die Freude bereiten. Gerade das regelmäßige Treffen mit Freunden und Bewegung in der Natur sind für mich sehr zentral und helfen mir auch in herausfordernden Zeiten. Sie helfen mir sozusagen einen Puffer aufzubauen, damit ich die Herausforderungen bewältigen kann.
Vielen Dank, Frau Müller, dass Sie Ihre Einblicke geteilt haben.
Unterstützung durch den Pflegestützpunkt Bad Kreuznach
Das Interview führte Joachim Kübler.
Frage:
Guten Tag, Frau Kauer. Sie sind im Pflegestützpunkt Bad Kreuznach tätig und werden täglich mit Anfragen zum Thema Pflege konfrontiert. Mit dem Pflegeweiterentwicklungsgesetz im Jahr 2008 wurden die bundesweiten Pflegestützpunkte quasi initiiert. Wer sind die Träger des Pflegestützpunktes und was ist die grundsätzliche Aufgabe eines Pflegestützpunktes?
Mona Kauer:
Die Pflegestützpunkte sind kostenlose, neutrale Beratungsstellen für gesetzlich Versicherte. Sie werden finanziert vom Land Rheinland-Pfalz, den Landkreisen und kreisfreien Städten, den gesetzlichen Kranken- und Pflegekassen und den Trägern der Fachkräfte der Beratung und Koordinierung. Wir beraten in Fragen zu Alter, Krankheit und Behinderung. Außerdem haben wir eine Lotsenfunktion, da wir durch unsere Arbeit einen guten regionalen Überblick der einzelnen Institutionen haben. So können wir in speziellen Fragen auch auf passende Institutionen verweisen. Betroffene, sowie An- und Zugehörige, können unser Angebot in Anspruch nehmen.
Frage:
Bedarf es eines Pflegegrades meines Angehörigen, um als Pflegeperson Entlastung und Unterstützung zu bekommen?
Mona Kauer:
Ist ein Hilfebedarf langfristig, ab 6 Monaten, und in einem bestimmten Umfang, ist es sinnvoll, über eine Beantragung des Pflegegrades nachzudenken, um nach Erhalt eines Pflegegrades Entlastungsmöglichkeiten durch die Pflegeversicherung zu bekommen. Das kann in finanzieller Form oder als Unterstützung im Haushalt, in der Betreuung oder Pflege sein. Handelt es sich um einen kurzweiligeren Hilfebedarf, hat sich z.B. eine Person etwas gebrochen, bekommt man gegebenenfalls Hilfe über die Krankenkasse. Sollte es sich nur um einen kleinen Hilfebedarf handeln, z.B. ausschließlich im Haushalt, kann man unter bestimmten Voraussetzungen Unterstützung über die Sozialhilfe bekommen.
Frage:
Pflege will gelernt sein. Gibt es für pflegende Angehörige eigentlich Pflegekurse?
Mona Kauer:
Ja, Pflegekurse werden in verschiedenen Formen angeboten: in der Gruppe, als Einzelschulung am Pflegebett, zu Hause oder online.
Frage:
Viele Angehörige sind berufstätig. Bekommen pflegende Angehörige eine Möglichkeit, nur noch in Teilzeit zu arbeiten oder im Beruf zu pausieren.
Mona Kauer:
Es gibt Modelle, die sich der besseren Vereinbarkeit von Familie, Pflege und Beruf widmen. Dazu zählen die kurzzeitige Arbeitsverhinderung von bis zu 10 Arbeitstagen, die Pflegezeit und die Familienpflegezeit. Hier bedarf es einer individuellen Beratung. Eine finanzielle Zuwendung kann das Pflegegeld sein, welches ab Pflegegrad 2 genutzt werden kann.
Frage:
Weniger Berufsjahre bedeutet ja auch weniger Rente. Werden verlorene Rentenpunkte ausgeglichen?
Mona Kauer:
Unter bestimmten Voraussetzungen werden Rentenbeiträge für die pflegenden Angehörigen gezahlt.
Frage:
Welche Entlastungsmöglichkeiten gibt es, wenn Angehörige in Teilzeit arbeiten und keine Vertretung da ist?
Mona Kauer:
Es gibt mehrere Möglichkeiten, die Betreuung bei Berufstätigkeit abzudecken. Ich denke da beispielsweise an die Tagespflege. Über Tag können pflegebedürftige Menschen dort über mehrere Stunden versorgt werden, es wird gemeinsam gegessen und die Institution bietet Beschäftigungsangebote an.
Alternativ können ambulante Dienste auch in die Häuslichkeit kommen.
Frage:
Und was ist, wenn Angehörige selbst krank sind oder mal in Urlaub wollen, um Kraft zu tanken?
Mona Kauer:
Es ist sehr wichtig, dass pflegende Angehörige auch selbst Kraft tanken und sich wohlfühlen. Über die Kurzzeitpflege kann beispielsweise während eines Urlaubs Tag und Nacht die Versorgung des Angehörigen sichergestellt werden. Die Verhinderungspflege stellt eine weitere finanzielle Möglichkeit dar. Diese Leistungsart ist flexibel. Neben der Nutzung von stationären Einrichtungen kann sie auch zur Finanzierung einer Versorgung in häuslicher Umgebung durch ambulante Dienste oder private Personen genutzt werden.
Frage:
Pflege ist ja auch körperlich anstrengend. Welche Hilfsmittel und technischen Unterstützungen gibt es und wer bezahlt sie?
Mona Kauer:
Die Hilfsmittel, welche über die Krankenkasse laufen, dienen dem Ausgleich einer Behinderung, wie z.B. dem Rollstuhl. Technische Pflegehilfsmittel werden bei der Pflegeversicherung beantragt. Diese sollen die Pflege erleichtern, die Selbständigkeit fördern oder Beschwerden lindern. Hierzu gehört beispielsweise das Pflegebett. In der Regel müssen die (Pflege-) Hilfsmittel über den Arzt verordnet werden. Zum Verbrauch bestimmte Pflegehilfsmittel müssen nicht verordnet werden, es genügt die Bewilligung eines Pflegegrades und die Beantragung. Hierzu zählen z.B. Desinfektionsmittel und Einmalhandschuhe. Werden Hilfsmittel zur Verfügung gestellt, muss vom Versicherten evtl. einen gesetzliche Zuzahlung geleistet werden.
Frage:
Oft sind ältere Wohnungen und Häuser nicht barrierefrei oder rollstuhlgerecht. Gibt es Hilfen in solchen Fällen für Umbau zum Beispiel von Bädern?
Mona Kauer:
Liegt ein Pflegegrad vor, ist es möglich einen Zuschuss von bis zu 4.000 Euro für „Wohnumfeldverbessernde Maßnahmen“ bei der Pflegeversicherung zu beantragen. Hierzu können Umbaumaßnahmen wie z.B. eine ebenerdige Dusche, Türverbreiterungen, Treppenlifte oder Rampen zählen.
Frage:
Die Pflege kann physisch und psychisch belastend sein. Gibt es spezielle Programme oder Unterstützung, wie beispielsweise Kuren für pflegende Angehörige?
Mona Kauer:
Ja, es kann eine Vorsorge- und Rehabilitationskur für pflegende Personen kann beantragt werden.
Vielen Dank, Frau Kauer, dass Sie das Angebot des Pflegestützpunktes beschrieben haben.
Kontakt:
Servicetelefon 0671/920473-0
Unterstützung durch den Gesprächskreis für „Zugehörige von Menschen mit Demenz und Vergesslichkeit“
Das Interview führte Joachim Kübler.
Frage:
Guten Tag Frau Kleinert. Sie sind Krankenschwester und Fachkrankenschwester für Gerontopsychiatrie – kennen sich also mit dem Thema Demenz aus. Zudem leiten Sie den Gesprächskreis für „Zugehörige von Menschen mit Demenz und Vergesslichkeit“ der Franziskanerbrüder vom Heiligen Kreuz in Bad Kreuznach. Die Wahrscheinlichkeit, an einer Demenz zu erkranken, steigt mit dem Lebensalter. Zurzeit leben in Deutschland etwa 2,5 Millionen Menschen mit einer Demenz, davon etwa 84 000 in Rheinland-Pfalz. Können Sie uns sagen, was die ersten Anzeichen einer Altersdemenz sind?
Monika Kleinert:
Die Deutsche Alzheimer Gesellschaft benennt in 11 Warnsignale – diese sind:
- Gedächtnisstörungen
- Ständiges Verlegen von Dingen
- Zunehmende Probleme bei der zeitlichen Orientierung und im fremden Umfeld – Schwierigkeiten bei der Erledigung alltäglicher Aufgaben
- Probleme den Überblick bei der Organisation von Alltagsaufgaben zu behalten – Zunehmende Unfähigkeit Gesprächen zu folgen
- Rückzug aus dem Arbeitsleben und / oder sozialen Kontakten
- Veränderung der Stimmung und des Verhaltens
- Probleme mit der räumlichen Orientierung
- Wortfindungsstörungen
- Schlechtes oder vermindertes Urteilsvermögen
Frage:
Welche Rolle spielen Angehörigen-Gesprächskreise bei der Entlastung von pflegenden Zugehörigen von Menschen mit Demenz?
Monika Kleinert:
Etwa 75 % der Erkrankten werden von Familienmitgliedern zu Hause betreut und gepflegt. Die Begleitung von Menschen mit einer fortschreitenden Demenz stellt eine große Herausforderung dar. Betreuende Angehörige sind immer mitbetroffen, weil sie die auftretenden Symptome kompensieren und für eine sichere Umgebung sorgen müssen. Für betreuende und pflegende Zugehörige ist es darum wichtig, sich Informationen über den Verlauf der Erkrankung und Unterstützungsmöglichkeiten einzuholen. Ein wichtiger Schritt, um sich selbst vor Überforderung zu schützen. Angehörige-Gesprächskreise bieten die Möglichkeit, sich mit anderen Menschen auszutauschen, die sich in ähnlichen Situationen befinden. Hier erhalten sie Informationen über die Erkrankung und wertvolle Tipps zu Hilfsangeboten.
Frage:
Was verbirgt sich hinter dem Gesprächskreis für „Zugehörige von Menschen mit Demenz und Vergesslichkeit“ in Bad Kreuznach?
Monika Kleinert:
Die Franziskanerbrüder vom Heiligen Kreuz beschäftigen sich seit über 25 Jahren intensiv mit dem Thema Demenz. Der Gesprächskreis für Zugehörige von Menschen mit Demenz und Vergesslichkeit wird von den Franziskanern seit 2007 organisiert.
Frage:
Wo findet der Gesprächskreis statt und was kostet die Teilnahme?
Monika Kleinert:
Der von mir moderierter Gesprächskreis findet jeden dritten Dienstag im Monat, in der Zeit von 18.30 Uhr bis 20.30 Uhr in der Begegnungsstätte Vielfalt in 55583 Bad Kreuznach im Stadtteil Bad Münster in der Kurhausstraße 43 statt und ist kostenfrei.
Frage:
Wer darf dort teilnehmen?
Monika Kleinert:
Der Gesprächskreis steht allen Interessenten offen.
Frage:
Welche Unterstützungsmöglichkeiten bietet der Gesprächskreis?
Monika Kleinert:
Der Gesprächskreis gibt den Zugehörigen von Menschen mit Demenz und Vergesslichkeit die Möglichkeit, mit Betroffenen, die sich in einer ähnlichen Situation befinden, ins Gespräch zu kommen. Hier können sich Angehörige gegenseitig ermutigen und von ihren Erfahrungen im Umgang mit den Erkrankten berichten. Zudem tut es den Teilnehmenden gut, wenn sie erfahren, dass sie mit dem Problem nicht alleine sind und auch mal eigene Gefühle aussprechen zu können.
Frage:
Gibt es auch ganz praktische Tipps?
Monika Kleinert:
Natürlich tauschen die Angehörigen auch Tipps aus, die in der jeweiligen häuslichen Praxis erprobte sind. Im Mittelpunkt steht aber immer das Erlernen eine wohlwollende Umgangs mit den Erkrankten. Das Krankheitsbild der Demenz erfordert zudem besondere Umgangsregeln. Unsere gemeinsamen Treffen werden aber auch genutzt, um sich Wissen über die Erkrankung anzueignen. Auch Themen zur Pflege oder rechtlichen Fragen werden hier diskutiert.
Frage:
Es gibt also auch Fachvorträge?
Monika Kleinert:
Ja. Die Gruppenmitglieder legen selbst fest, welches Thema besonders wichtig ist. Wir laden in regelmäßigen Abständen Fachreferenten ein, die dann über das Krankheitsbild berichten. Diese Termine werden übrigens auch in der Presse veröffentlicht und sind für die interessierte Öffentlichkeit offen.
Frage:
Gibt es weitere Gruppen?
Monika Kleinert:
Ja, es gibt noch eine Gruppe, die für Betroffene und Angehörige gleichermaßen gedacht ist. Diese Gruppe trifft sich 1x im Monat zu gemeinsame Aktivitäten, um die soziale Kontakte zu stärken.
Frage:
Welche Aktivitäten sind das?
Monika Kleinert:
Das kann beispielsweise eine gemütliche Kaffeerunde oder einem gemeinsamen Spaziergang sein. Und, ganz wichtig: Bei diesen Veranstaltungen steht das Krankheitsbild Demenz zu keiner Zeit im Vordergrund. Es geht um den Spaß an der gemeinsam verbrachten Zeit und den Gesprächen.
Frage:
Was planen Sie noch in 2024?
Monika Kleinert:
Für dieses Jahr sind noch Aktivitäten wie beispielsweise ein gemeinsamer Besuch im Freilichtmuseum in Bad Sobernheim, mit einem gemeinsamen Kaffeetrinken in der historischen Küche der 50er und 60er Jahre, der Besuch eines Puppenspielers oder ein gemeinsamer Tanz-Nachmittag geplant. Ein wichtiges Anliegen der gemeinsam verbrachten Zeit ist es immer, für alle eine positive Atmosphäre zu schaffen, in der sich alle Willkommen und verstanden fühlen.
Frage:
Gibt es auch nur für Erkrankte einen Gesprächskreis?
Monika Kleinert:
Leider gibt es in Bad Kreuznach zurzeit noch keinen eigenen Gesprächskreis für Menschen mit einer beginnenden Demenz und Vergesslichkeit. Die Franziskanerbrüder vom Heiligen Kreuz sind aber dabei einen Gesprächskreis für Menschen mit Demenz und Vergesslichkeit zu organisieren, weil ein Leben mit einer beginnenden Demenz noch lange selbstbestimmt möglich sein kann. Und auch Betroffene einen Ort, wo sie Rat, Unterstützung und Verständnis finden benötigen. Es geht aber auch darum, dass soziale Kontakte gepflegt werden und Betroffene ihre geistigen Fähigkeiten fördern.
Frage:
Letzte Frage: Wie und wo können sich Interessierte anmelden?
Monika Kleinert:
Gerne bei mir telefonisch über die Handynummer oder per E-Mail.
Vielen Dank für das Gespräch und die Informationen über den Gesprächskreis für „Zugehörige von Menschen mit Demenz und Vergesslichkeit“.
Kontakt:
Monika Kleinert, Telefon: 0151- 20267692, E-Mail: monika.kleinert@franziskanerbrueder.org
Unterstützung durch KISS Mainz bzw. der “Pflege-Selbsthilfe”
Das Interview führte Joachim Kübler.
Frage:
Frau Beck, Sie sind pädagogische Mitarbeiterin der KISS Mainz und Ansprechpartnerin im Kontaktbüro “Pflege-Selbsthilfe”.
Verraten Sie uns zunächst mal, wer Träger und Förderer in Rheinland-Pfalz ist.
Carola Beck:
Träger ist der Deutsche Paritätische Wohlfahrtsverband Landesverband Rheinland-Pfalz/Saarland e.V. – gefördert wird die Arbeit der Kontaktbüros Pflege-Selbsthilfe Rheinland-Pfalz durch das Ministerium für Arbeit, Soziales, Transformation und Digitalisierung des Landes Rheinland-Pfalz sowie durch die gesetzlichen Pflegekassen in Rheinland-Pfalz und die private Pflegeversicherung.
Frage:
Und was ist das genaue Ziel bzw. die Zielgruppe der Pflege-Selbsthilfe?
Carola Beck:
Wenn man einen Angehörigen oder vergleichbaren Nahestehenden pflegt, kann es zu emotionaler und körperlicher Dauerbelastung kommen. Die Folgen können sein: Schlafstörungen, Stimmungsschwankungen oder körperliche Schmerzen; man kann davon selbst krank werden. Oft fällt es Pflegenden schwer, auch an sich selbst zu denken. Sich genügend Auszeit zu nehmen, einem Hobby nachzugehen und auch die eigene Gesundheit im Blick zu behalten – all das ist nicht mehr selbstverständlich. Die Sorge um die Nahestehenden ist ja groß, der zeitliche Aufwand enorm.
Da kann eine Pflege-Selbsthilfegruppe sehr hilfreich sein. Dort kann man sich mit Gleichgesinnten auszutauschen und in der Gruppe Lösungen suchen und Perspektiven entwickeln, die langfristig tragen. Sich Dinge von der Seele reden, nicht mehr allein auf sich gestellt sein und zu merken: „Ich muss gar nicht weit ausholen, die Anderen verstehen sofort wovon ich rede“, tut einfach gut. Emotionale Themen wie z.B. die Veränderung des Partners/der Partnerin oder der Eltern, lange zurückliegende Konflikte, die jetzt plötzlich wieder auftauchen, die eigene Lebensgestaltung und Zukunftssorgen finden Raum. Es werden auch Ideen und Erfahrungen geteilt: zum Beispiel probiert eine Gruppe auf Anregung einer Teilnehmerin gerade ein Musikangebot für Menschen mit Demenz aus, das den Zugang untereinander und das Miteinander auf einer anderen Ebene erleichtert.
Eingebettet in ein Netzwerk aus Fachkräften, die in den Pflegestützpunkten beraten und Pädagog:innen, Ärzt:innen und Psycholog:innen die zum Krankheitsbild wie zum Beispiel Demenz aufklären ist die Gruppe ein guter Ort, um Kraft zu tanken und sich gegenseitig zu stärken.
Frage:
Gibt es denn genug Pflege-Selbsthilfe-Gruppen?
Carola Beck:
In Rheinland-Pfalz gibt es rund 3.000 Selbsthilfegruppen zu den verschiedensten Themen. Dass es die Möglichkeit gibt, eine Pflege-Selbsthilfegruppe zu besuchen, spricht sich langsam herum. Wir helfen gerne bei der Suche. Und wir helfen auch bei der Gründung und dem Aufbau neuer Selbsthilfegruppen. Das Bedeutet, dass wir Möglichkeiten der Selbsthilfeförderung aufzeigen, wir haben ein Netzwerk mit Fachkräften aus dem Gesundheitswesen und der Selbsthilfe und können auch bei der Öffentlichkeitsarbeit unterstützen.
Frage:
Was heißt Selbsthilfeförderung konkret?
Carola Beck:
Pflege-Selbsthilfe-Gruppen können im Jahr eine Förderung von bis zu 1.200 Euro beantragen. Das Kontaktbüro PflegeSelbsthilfe c/o KISS Mainz berät bei der Antragstellung. Das Geld kann von den zum Beispiel für Fachliteratur, Büro- und Organisationsmaterial wie Laptop und Telefon eingesetzt werden. Auch Angebote zur Entlastung oder zur Vorbeugung von Überlastung und Burn-Out können hiervon finanziert werden. Dazu gehört zum Beispiel das Kennenlernen von Entspannungsmethoden, aber auch Kreativ- und Musikangebote. Auch gemeinschaftliche Treffen mit Programm, in die die zu Pflegenden integriert werden, zum Beispiel ein kleines Fest oder Ausflug können aus der Gruppenkasse bezahlt werden.
Frage:
Das ist ja ein tolles Angebot. Ist die Beratung kostenlos?
Carola Beck:
Ja, wir informieren, beraten und unterstützen pflegende Angehörige kostenlos.
Frage:
Für welche Städte und Landkreise ist die KISS Mainz bzw. sind Sie Ansprechpartnerin?
Carola Beck:
Ich bin Ansprechpartnerin für Mainz, Mainz-Bingen, Worms, Frankenthal, Kaiserslautern, Rhein-Hunsrück-Kreis, Bad Kreuznach, Alzey-Worms und Donnersbergkreis.
Das sind wertvolle Informationen. Dank, Frau Beck.
Kontakt:
Carola Beck, Kontaktbüro PflegeSelbsthilfe RLP (c/o KISS Mainz).
Telefon: 06131-1433092
Internet: www.pflegeselbsthilfe-rlp.de
Internet: www.kiss-mainz.de
Unterstützung durch Netzwerk Demenz Region Bad Kreuznach e.V.
Das Interview führte Joachim Kübler.
Frage:
Ich grüße Sie, Frau Marx. Sie sind die neue erste Vorsitzende des Vereins Netzwerk Demenz Region Bad Kreuznach e.V. Gratulation! Sie wollen mit dem Netzwerk Demenz wieder mehr Angebote für Menschen mit Demenz und deren Angehörigen in der Region Bad Kreuznach schaffen. Seit wann besteht der neue Vorstand?
Annerut Marx:
Danke! Ja, die Aktivitäten des Vereins waren in den letzten Jahren aufgrund der Corona- Pandemie und personeller Veränderungen eingeschlafen. Wir freuen uns, dass wir nun wieder mit vereinten Kräften neu starten können. Dr. Heckmann, der schon seit Gründung des Netzwerkes dabei ist, hat uns für die Mitarbeit im Vorstand geworben. Ende letzten Jahres sind wir gewählt worden, neben mir gehören noch Monika Kleinert, Dr. Jochen Heckmann und Nicole Sgaslik zum Vorstand. Wir sind ein richtig gutes Team und freuen uns, das Netzwerk Demenz vertreten zu können!
Frage:
Warum ist das Krankheitsbild der Demenz eine Herausforderung?
Annerut Marx:
In Rheinland-Pfalz sind ca. 80.000 Menschen an einer mittelschweren oder schweren Demenz erkrankt. Bezogen auf den Landkreis Bad Kreuznach sind dies über 3.000 Erkrankte. Aufgrund der demografischen Veränderungen wird die Anzahl der Betroffenen künftig deutlich steigen. Für Gesellschaft und Gesundheitswesen ist diese Entwicklung eine der größten Herausforderungen der Zukunft. Nicht nur für den Gesetzgeber und die Träger sozialer und gesundheitspflegerischer Institutionen, sondern vor allem für die Angehörigen und natürlich auch für die Menschen, die an Demenz erkrankt sind.
Frage:
Und wo kann der Verein helfen?
Annerut Marx::
Im Anfangsstadium einer Demenzerkrankung brauchen Betroffene und Angehörige neben der medizinischen Diagnostik und Therapie vor allem Informationen und Beratung. Wir versuchen, ein Netz zwischen den Angeboten in der Region Bad Kreuznach zu spannen. Und darüber hinaus wollen wir vor allem auch notwendige Angebote für die Betroffenen und ihre Angehörigen schaffen.
Frage:
Was bedeutet das konkret?
Annerut Marx:
Zur Vernetzung der regionalen Anbieter und dem Austausch gibt es zum Beispiel unseren runden Tisch. Hierzu laden wir alle Institutionen ein, die mit dem Thema Demenz zu tun haben. Dazu gehören die unterschiedlichsten Anbieter von ambulanten und stationären Hilfen, aber auch die Stadt-u. Kreisverwaltung, Kirchengemeinden u.v.m. Unser Ziel dabei ist es, mit unserem Netzwerk den Betroffenen und deren Angehörigen wirksame Unterstützungsmöglichkeiten anzubieten. Mitte Mai hatten wir unseren ersten runden Tisch in der neuen Besetzung, dort sind viele Ideen entstanden. Es war ein sehr gelungener und inspirierender Austausch!
Frage:
Und welche Unterstützung erfahren Betroffene und ihre Angehörigen direkt?
Annerut Marx:
Menschen mit Demenz und deren Angehörige stehen vor vielen Herausforderungen, die oft auch den Alltag bestimmen und viel Aufmerksamkeit und Engagement fordern. Uns ist bewusst, dass wir die Lebensumstände der Menschen, die an Demenz erkrankt sind, nicht grundlegend verändern können. Unser Ziel ist es jedoch, die Menschen in ihrer Lebenssituation zu unterstützen, ihnen zu helfen, mit ihrer persönlichen Situation umzugehen und Möglichkeiten aufzuzeigen, die den Alltag erleichtern, die sie stärken und zur Bewältigung der Situation beitragen. Deshalb initiiert der Verein beispielsweise Vorträge und Kurse zur Aufklärung über das Krankheitsbild und den Umgang damit, davon profitieren gerade Angehörige sehr. Zudem organisieren wir auch Veranstaltungen, die Menschen mit Demenz gemeinsam mit ihren Angehörigen besuchen können. Wir regen dadurch zu gemeinschaftlichem Erleben und zur Begegnung mit Anderen an, es geht um das gemeinsame Lachen, Singen, Tanzen…einfach um Freude im Alltag.
Frage:
Haben Sie denn schon einige Veranstaltungen terminiert?
Annerut Marx:.
Ja, am 14. Juni geht es um 14:00 Uhr mit einer Veranstaltung in der Begegnungsstätte „Vielfalt“ in der Kurhausstraße 43 in Bad Münster am Stein-Ebernburg.
Frage:
Um was geht es bei der Veranstaltung?
Annerut Marx:
Wolfgang Bartmann, ein renommierter Bauchredner und Puppenspieler, wird da sein. Mit seiner Kunst des Puppenspiels hat er eine bemerkenswerte Wirkung auf Menschen mit Demenz. Das Puppenspiel erweckt Freude und Begeisterung und scheint die Menschen in ihre Kindheit zurückzuversetzen und Erinnerungen zu aktivieren. Herr Bartmann wirkt allerdings nicht als Therapeut, sondern als Künstler.
Frage:
Bieten Sie auch einen Kurs zum Thema Demenz für Angehörige an?
Annerut Marx:
Ja, am 4. Juli beginnt ein vierteiliger Kurs für Angehörige. Dieser Kurs „Hilfe beim Helfen“ vermittelt Angehörigen wichtiges Wissen zum Krankheitsbild und zum Umgang mit den erkrankten Menschen. Dies ist grundlegend und entscheidend für die Alltagsgestaltung. Darüber hinaus geht es aber auch um rechtliche Themen wie die Pflegeversicherung, rechtliche Betreuung und Vorsorgevollmacht. Und nicht zuletzt auch um die Frage, wie man als Angehöriger gut für sich selbst sorgen kann. Der Kurs ist also sehr hilfreich für alle, die sich mit dem Thema beschäftigen möchten.
Frage:
Vom 16. bis 22. September ist die Woche der Demenz – sind hier auch Aktionen geplant?
Annerut Marx:
Genau, bei unseren letzten Treffen mit den Institutionen im Mai gab es auch einen Ideen-Workshop für Aktionen in der Woche der Demenz. Wir möchten gerne eine zentrale Eröffnungsveranstaltung sowie verschiedene Informations- und Unterhaltungsprogramme in der Innenstadt von Bad Kreuznach organisieren. Zusätzlich planen einige stationäre Pflegeheime und auch ambulante Pflegedienste einen Tag der offenen Tür.
Weitere Infos unter: www.netzwerk-demenz-badkreuznach.de
Unterstützung durch körperliche Entlastung mit Kinaesthetics
Das Interview führte Joachim Kübler.
Frage:
Guten Tag Frau Ender, schön, dass Sie sich für dieses Interview einen Moment Zeit nehmen. Sie sind Kinaestheticstrainerin. Was kann ich mir darunter vorstellen?
Antoinette Ender:
Kinaesthetics ist die Lehre der Bewegungswahrnehmung.
Das Wort Kinaesthetics findet seinen Ursprung in den zwei altgriechischen Wörtern: kineō (bewegen) und aisthēsis (Wahrnehmung oder Erfahrung). Eher geläufig ist uns der Begriff Anästhesie, also nichts wahrzunehmen, wie während einer Narkose oder einer Lokalanästhesie beim Zahnarzt.
Frage:
Wie kann die Kinaesthetics in der Pflege hilfreich sein?
Antoinette Ender:
Ich arbeite in einem Berührungsberuf, habe täglich viele unterschiedlichste Interaktionen mit anvertrauten Klienten. Dies ist nicht nur sprachlich zu verstehen, sondern ganz besonders in Bezug auf die Berührung und die Bewegung zu sehen. Die zahlreichen Bewegungsunterstützungen wollen gut gestaltet sein.
Zum einen innerhalb des Bettes: Kopfwärts bewegen, zur Seite drehen oder auch seitlich im Bett bewegen. Um dann z. B. leicht an die Bettkante kommen zu können oder sich umzusetzen in einen Stuhl. Aufstehen vom Bett oder von einem Stuhl, sowie unterstützen beim Laufen. Nicht zu vergessen die vielen kleinen Bewegungen, die am Ort stattfinden, Essen und Trinken, An- oder Ausziehen, Atmen u.v.m.!
Kurz: Kinaesthetics lässt mich achtsamer sein für das, was es jetzt gerade im Moment braucht bzw. welche Unterstützung für die betroffene Person gerade hilfreich sein könnte. Und die Kinaesthetics hilft mir, Angebote zu machen, dass die andere Person in ihrer Gesundheitsentwicklung gefördert wird und so gut wie möglich selbstbestimmt bleiben kann. Je besser ich als Helferin oder Helfer verstanden habe, wie all diese Bewegungen gehen, desto kompetenter erfährt sich die oder der Betroffene und die Helferin oder der Helfer überlastet sich nicht.
Frage:
Es geht also um Hebetechniken?
Antoinette Ender:
Nein, man sollte keinen Menschen von A nach B mit einer bestimmten Technik heben. Jeder Mensch hat seine eigenen Verhaltens- und Bewegungsmuster entwickelt und braucht deshalb ein passendes Bewegungsangebot. Wir Menschen sind Geher, wir hüpfen selten durch unsere Wohnung oder durch die Fußgängerzone. In der Regel verlagern wir unser Gewicht in der Schwerkraft auf eine gehende Art und Weise. In der Pflege wird die Fortbewegung dann oft hüpfend gestaltet, also gehoben oder getragen – was weder für die helfende Person noch für die betroffene Person hilfreich ist.
Frage:
Diese Hebeaktivitäten können ja nicht nur bei professionell Pflegenden, sondern auch bei pflegenden Angehörigen zu einer starken Belastung werden.
Antoinette Ender:
Ja genau, zu den vielen Tätigkeiten, die sie für ihre anvertraute Person ohnehin schon leisten, kommt dann auch noch diese körperliche Belastung durch das Heben hinzu. Die gute Nachricht ist aber, dass ich durch die Kinaesthetics-Blickwinkel ein Werkzeug habe, das mir hilft, zum einen die Situation besser zu verstehen. Zum anderen kann ich dadurch auch hilfreiche und nützliche Angebote machen, um mit der betroffenen Person in Bewegung zu kommen. Und zwar indem ich mit der Schwerkraft körperorientiert arbeite, statt gegen die Schwerkraft Raumorientiert nach oben zu heben.
Frage:
Wo kann man zusätzliche Informationen bekommen?
Antoinette Ender:
Es gibt zum einen die Möglichkeit, 1x im Monat im Krankenhaus St. Marienwörth kostenfreie Beratungen zu diesen Themen zu nutzen. Die Termine kann man der Homepage entnehmen.
Frage:
Gibt es auch ein Angebot für eine Beratung zu Hause?
Antoinette Ender:
Einige Krankenkassen übernehmen auch bis zu drei Beratungen vor Ort in der häuslichen Umgebung. Welche Kassen das sind und in welchen Schritte man da vorgehen muss, kann individuell besprochen werden.
Frage:
Können Interessierte, wenn sie noch niemanden pflegen oder noch keinen Pflegegrad haben, die Beratungen besuchen?
Antoinette Ender:
Jederzeit können sich noch nicht Betroffene informieren und für den Fall eines Falles rüsten. Das empfehle ich sogar, denn viele ungünstige Bewegungsmuster können so schon erkannt und eventuell entgegengewirkt werden. Bei den kostenfreien Informations- und Beratungsveranstaltungen, können sie übrigens so oft sie möchten mit ihren Fragen und Themen kommen.
Frage:
Ist es auch möglich, sich noch intensiver mit diesem Thema zu beschäftigen?
Antoinette Ender:
Ja, auch Kinaesthetics Grundkurse für Interessierte, ehrenamtlich Tätige und pflegende Angehörige können gestaltet werden. Ein Grundkurs besteht immer aus 21 Unterrichtseinheiten, die je nach Wunsch der mindestens 5 Teilnehmer verteilt werden können. Entweder 7 Abende von 16:30 – 19:00 Uhr oder 2 Freitage von 16:00 – 19:00 und 2 Samstage von 10:00 bis 16:00.
Frage:
Wie müssen Interessierte vorgehen und was kosten die Kurse?
Antoinette Ender:
Wenn Interesse besteht, kann man sich gerne auf eine entsprechende Liste setzen lassen. Sobald die Mindestteilnehmerzahl erreicht ist, kann der Kurs starten. Der Kurs selbst kostet nichts – es fällt lediglich ein Unkostenbeitrag von 25,- Euro pro Person für die Kursunterlagen an.
Frage:
Das klingt alles sehr interessant, jetzt bin ich neugierig geworden! Wie kann ich noch mehr über die Kinaesthetics erfahren?
Antoinette Ender:
Auf der Homepage www.wir-pflegen-zuhause.de kann man noch viele weitere Informationen von Kinaesthetics Deutschland erhalten! Unter anderem gibt es dort Fotos von Bewegungsunterstützungen sowie 6 Erklärvideos zu verschiedenen Kinaesthetics Konzeptblickwinkeln. Es gibt dort auch ein Verzeichnis aller Kinaesthetics Trainerinnen und Trainer und deren Kursangebote in ganz Deutschland.
Kontakt / Anmeldung:
Telefonnummer: 0157-3270 60 39
E-Mail: antoinette.ender@marienwörth.de
Unterstützung mit "Letzte Hilfe"- Kursen für den Umgang mit dem Sterben
Das Interview führte Joachim Kübler.
Frage:
Frau Wagner, Sie sind beim Pflegestützpunkt Bad Kreuznach als Sozial-und Pflegeberaterin tätig und bieten von Zeit zu Zeit auch „Letzte Hilfe“-Kurse an. Auf welche Idee geht der Kurs zurück und was ist das Ziel?
Anja Wagner:
Die Idee und das Konzept des Kurses ist 2008 von Dr. Georg Bollig, Palliativmediziner und Mitbegründer von Letzte Hilfe Deutschland, erstmals veröffentlicht worden. Die ersten „Letzte Hilfe“-Kurse gab es 2014 in Norwegen und ab 2015 auch in Deutschland. Mittlerweile gibt es „Letzte Hilfe“- Kurse in 21 Ländern weltweit.
Frage:
Muss man zertifiziert sein, um die Kurse halten zu dürfen?
Anja Wagner:
Ja, um Kurse anbieten zu können, erfordert es eine Kursleiterschulung bei Letzte Hilfe Deutschland und zur Aufrechterhaltung der Zertifizierung muss mindestens ein Kurs pro Jahr geleitet werden.
Frage:
Warum bedarf es Ihrer Meinung nach überhaupt Kurse zum Umgang mit Sterben und Tod?
Anja Wagner:
Das Wissen über Sterben, Tod und Trauer sind uns in weiten Teilen verloren gegangen. Aus Unsicherheit und Ängsten meiden viele die Begegnung mit sterbenden Menschen. Da geht viel Mitmenschlichkeit und Zuwendung verloren. Durch das im Kurs Erlernte kann ich Berührungsängste abbauen und durch meine Kenntnisse ein würdevolles Sterben begleiten.
Frage:
Ist der Kurs nur für pflegende Angehörige oder generell für interessierte Personen?
Anja Wagner:
Der Kurs richtet sich an alle Interessierten. Um die Kurse zielgruppengerecht anbieten zu können, gibt es Kursangebote für Kinder und Teens, für Erwachsene und für Profis. Die Letzte Hilfe Kurse, die wir anbieten, sind für Erwachsene ohne fachliche Kenntnisse zu diesem Thema.
Frage:
Und können oder sollten vielleicht auch junge Menschen oder gar ganze Familien den Kurs besuchen, um sich auf die Letzte Hilfe vorbereiten zu können?
Anja Wagner:
Jeder Mensch ist in seinem Leben mit Sterben konfrontiert. Da ist der Tod von nahen Angehörigen, von Freunden und Nachbarn und auch der eigene Tod steht jedem von uns bevor. Diese Tatsache allein kann schon Motivation sein, sich mit dem Thema zu beschäftigen und das gilt für jedes Alter und für jede Lebensphase. Kinder beispielsweise haben hier eigene und andere Ideen und Vorstellungen als Erwachsene und oftmals viel unkomplizierter und weniger angstbesetzt. Das ausgeschlossen werden und die Tabuisierung ist das, was es für Kinder unverständlich werden lässt. Umso selbstverständlicher unser Umgang mit Tod und Sterben ist, umso besser kann es gelingen, sterbende Menschen zu begleiten und ihr Lebensende zugewandt und bestmöglich zu gestalten.
Frage:
Sicher kann das Thema sehr emotional werden – wie werden die Teilnehmenden während des Kurses betreut?
Anja Wagner:
In der Einführung zum Kurs bieten wir an, dass es verstanden wird, wenn Teilnehmende emotional reagieren oder vielleicht auch eine Auszeit brauchen und sich zurückziehen möchten. Der Kurs wird immer mit zwei Kursleitenden durchgeführt. Hierdurch kann, wenn gewünscht oder erforderlich, eine persönliche Begleitung angeboten werden.
Frage:
Was wird in den Kursen konkret vermittelt?
Anja Wagner:
Der Kursinhalt orientiert sich an den Modulen
- Sterben ist ein Teil des Lebens
- Vorsorgen und Entscheiden
- Leiden lindern
- Abschied nehmen
Ziel ist es, Sterben und Tod als Teil unseres Lebens zu begreifen, was passiert eigentlich in der letzten Lebensphase, wie kann ich vorsorgen und welche Entscheidungen sind zu treffen, welche Beschwerden treten in der letzten Lebensphase häufig auf und wie kann ich helfen und begleiten. Das Hilfesystem für sterbende und schwerkranke Menschen und deren Angehörige in Deutschland und regional vor Ort kennenlernen und schließlich Informationen rund um die Themen Trauer und Bestattung.
Frage:
Wie lange dauern solche Kurse?
Anja Wagner:
Ein Kurs umfasst 4 Unterrichtseinheiten, also 4x 45 Minuten und mit Pausen ergibt sich eine Dauer von 4 Stunden.
Frage:
Was kosten die Kurse?
Anja Wagner:
Der Kurs wird kostenfrei angeboten. Eine Spende der Teilnehmenden ist willkommen.
Frage:
Wann sind die nächsten Termine in der Region Bad Kreuznach?
Anja Wagner:
Der nächste Kurs findet im September hier in Bad Kreuznach statt. Dieser Kurs ist schon ausgebucht. Erfreulicherweise, weil es zeigt, dass Letzte Hilfe ein Thema ist, dass die Bürgerinnen und Bürger anspricht und bewegt. Interessierte an einem Kurs können sich aber jederzeit bei mir melden. Ich führe eine Interessentenliste und informiere diese, wenn ein weiterer Termin geplant ist.
Aktuell werden die Kurse vom Pflegestützpunkt Bad Kreuznach in Kooperation mit dem Eugenie Michels Hospiz der Stiftung kreuznacher diakonie und auch vom Christlich Ambulanten Hospizdienst an der Nahe angeboten.
Frau Morenz-Meyer vom Hospizdienst und ich stehen in engem Austausch, um uns über die Kurstermine auszutauschen. Interessierte werden bei der Kontaktaufnahme auch auf die jeweiligen Termine hingewiesen.
Pflegestützpunkt Bad Kreuznach I
Anja Wagner Sozial- und Pflegeberaterin
Wilhelmstraße 84-86
55543 Bad Kreuznach
Tel 0671 920473 – 13
anja.wagner@pflegestuetzpunkte-rlp.de