„Seelen-Tanke“
Warum diese Unterseite und warum der Name “Seelen-Tanke”?
Wir fahren auf der Autobahn. Die Autobahn heißt Leben. Manch einer kommt nur mühsam voran, transportiert schwere Last. Andere sind fröhlich unterwegs, fahren in den Urlaub, freuen sich auf die Ferien. Dann gibt es welche, die mit Höchstgeschwindigkeit unterwegs sind, ihrem Fahrzeug und sich selbst trotz Gefahr Höchstleistungen abverlangen. Eins ist allen gemein. Irgendwann stockt die Fahrt, der Treibstoff wird knapp, die Konzentration lässt nach. Hunger, Durst und der Wunsch nach Pause drängen sich ins Zentrum der Wahrnehmung. „Wann kommt die nächste Tanke?“, fragen sich die Mutter, der Brummifahrer, die eilige Geschäftsfrau oder der Großvater hinter dem Steuer. Irgendwann kommt die „Tanke“ – bunte Schilder weisen den Weg, das Ziel ist erreicht. Die Ressourcen werden aufgefüllt, Bedürfnisse erfüllt. Erleichterung. Zeit zum Innehalten, bevor es weitergeht. Zeit, ein wenig Seele durchatmen zu lassen.
Ja, oft ist es an der Zeit, im Leben Inne zu halten. Zeit zu finden – zur mentalen Erholung und Inspiration. Diese wollen wir Ihnen auch hier – mit den Texten und Berichten unter dem Label „Seelen-Tanke“ – schenken. Entspannen Sie sich, holen Sie sich Tipps und Anregungen für den Alltag, und freuen Sie sich, dass der Weg nach der Lektüre leichter erscheint. Und kommen Sie wieder. An unserer Tanke gibt es immer wieder neuen mentalen Treibstoff – für einen guten Weg im weiteren Leben. Tanken Sie auf. Holen Sie sich Energie. Hier bei uns finden Sie das Passende.
Die Autoren auf dieser Seite sind:
Ute Weiser (Pfarrerin Ev. Kirchengemeinde Bad Kreuznach)
Bärbel Dörr (Ansprechpartnerin und Seelsorgerin in der katholischen Kirchengemeinde der Stadtpfarrei Heilig Kreuz)
Annette Stambke (Diakonin, Seniorenhilfe kreuznacher diakonie)
Annerut Marx (Dipl.-Sozialarbeiterin, Pflegestützpunkt)
Udo Foerster (Gesellschafter, meinSanihaus)
Jede und jeder von uns macht den Unterschied!
„Und als Jesus in das Haus des Petrus gekommen war, sah er dessen Schwiegermutter fieberkrank daniederliegen. Und er rührte ihre Hand an, und das Fieber verließ sie; und sie stand auf und diente ihm.“
(Matth.8,14-15).
Als ich mich bei der Vorbereitung für eine Andacht mit den beiden Versen aus dem Matthäusevangelium auseinandersetzte, ist bei mir ganz überraschend eine Erinnerung an meine schwerkranke Tante aufgestiegen. Eine schwere Erinnerung. Meine Tante war an Krebs erkrankt und es war klar, dass sie nur noch eine kurze Lebenserwartung hat. Das Bild, das in mir aufstieg war das meiner schwachen Tante, die im Sterben lag und der wir beistanden.
Ein Ausnahmezustand – auf einmal waren die Gefühle wieder da, die Angst, die Ohnmacht und Hilflosigkeit, die Traurigkeit, aber auch das Gefühl des Gehaltenseins in all dem Schweren.
Zurück zu unserer biblischen Geschichte:
Viel wird uns nicht geschildert, nur dass die Frau starkes Fieber hatte. Vielleicht war sie auch todkrank? Vielleicht hatten auch Petrus und seine anderen Angehörigen Angst und waren hilflos. Im Hause des Petrus herrschte vermutlich auch ein Ausnahmezustand.
Und was passierte als Jesus in das Haus kam?
Jesus sieht die Frau, nimmt wahr, er schaut hin.
Jesus geht zu ihr, er nimmt ihre Hand, Jesus berührt sie.
„Und er rührte ihre Hand an, und das Fieber verließ sie.“
Welch eine unglaubliche Wendung durch die Zuwendung von Jesus. Jesus macht den Unterschied.
Wie war das bei meiner Tante?
Auch für meine Tante wurde gebetet und sie selbst hat auf Heilung gehofft. Doch sie wurde nicht geheilt.
War Jesus nicht da? Hat er sie nicht gesehen, nicht wahrgenommen, nicht angerührt?
Auch wenn meine Tante nicht geheilt wurde, glaube ich, dass Jesus meine Tante und auch uns um sie herum gesehen hat. Im Nachhinein war für mich in diesem Ausnahmezustand die Gegenwart Gottes so stark spürbar wie kaum sonst in meinem Leben. Durch die Menschen, die uns beigestanden haben, durch verschiedene Begebenheiten, die sich gefügt haben und durch die Nähe zu meiner Tante bei ihrem letzten Atemzug.
Als ich nochmal über das Erlebte nachgedacht habe, kam mir eine Begebenheit besonders in den Sinn. Meine Tante war zwei Tage vor ihrem Tod auf der Palliativstation im Krankenhaus, sie hatte Wasser in der Lunge und litt an Luftnot. Es war unklar, wann sie entlassen werden kann und ob sie überhaupt den Transport übersteht. Der behandelnde Arzt war sehr zögerlich mit der Entlassung nach Hause. Als ich sie besuchte, begegnete mir auf dem Flur eine Ordensschwester, die meine Tante betreut hat. Ohne mich zu kennen, wandte sie sich zu mir und sagte: „Holen sie ihre Tante nach Haus, so bald wie möglich!“
Das hat mich berührt und mich dazu gebracht sofort alle Hebel in Bewegung zu setzen, wir konnten meine Tante am nächsten Tag nach Hause bringen. Sie war so froh zu Hause zu sein und darüber wie schön wir es ihr in ihrem zu Hause gemacht haben. Dort im Kreis ihrer Vertrauten konnte sie in Frieden sterben.
Jede und jeder von uns macht den Unterschied – so wie diese Ordensschwester, die meine Tante sah und die sich mir zuwandte und mich dadurch in Bewegung brachte.
Jesus nimmt wahr, Jesus berührt und Jesus heilt.
Ich wünsche uns, dass wir immer wieder Jesus begegnen, der durch seine Zuwendung für uns den Unterschied macht – auf welche Weise auch immer. Und dass wir selbst immer wieder zu solchen Menschen werden, die für andere den Unterschied machen.
Text/Fotos:
Annerut Marx
Dipl. Sozialarbeiterin
Mein Resilienz-Baum
Wie alt wird ein Kirschbaum? Das habe ich mich oft gefragt, wenn ich beim Spaziergang mit dem Hund an einem bestimmten Baum vorbeigekommen bin. Der Baum, den ich meine, ist knorrig, wirkt verwachsen. Menschen haben Äste abgesägt, abgeschlagen, abgebrochen. Der Sturm hat den Zweigen zugesetzt. Die Rinde ist eingeritzt, Kerben hier und da. Dennoch steht er da, so eigentümlich krumm. Aber im August trägt er prachtvolle rote Früchte – in großer Zahl. Fast traubenartig. Der Baum berührt mich. Heute weiß ich, dass Gewächse seiner Art in der Regel 60 bis 80 Jahre alt werden können. Ein Menschenalter. Ich selbst bin fast 60 Jahre alt – und wie dieser Baum habe auch ich viel erlebt. Sturm und Regen, Gewitter, Schnee, doch auch Sonnenschein – und zuletzt diese quälende Dürre.
Aber es war nur zum geringen Teil die Witterung, die mich zu dem gemacht hat, was ich heute bin. Ich habe viel erlebt. Eine Kindheit in ärmlichen Verhältnissen, eine harte Schulzeit, ich war als „Streber“ verschrien, hatte kaum echte Freunde. Mit der Uni kam Freiheit, danach der berufliche Aufstieg. Eine steile Karriere, der ich später gesundheitlich Tribut zollte. Rückschläge trafen mich, immer wieder. Immer heftiger. Der Tod meiner Eltern. Die Finanzkrise, durch die ich fast meine Firma verloren hätte. Ich hatte weise Freunde, liebende Menschen, insbesondere meine Frau, die mich stützten und trugen und vor dem Schlimmsten bewahrten.
Eins habe ich dennoch erfahren. Aus jeder Krise in meinem Leben bin ich gestärkt hervorgegangen. Ich habe mir eine Art Resilienz zugelegt. Der Begriff, heute in Mode, beschreibt die Anpassungsfähigkeit eines Menschen als Reaktion auf Krisen. Menschen verarbeiten Erlebtes, üben daraufhin neue Verhaltensmuster ein, die sie bei ähnlichen Problemstellungen erneut abrufen. Somit fällt die Bewältigung von Krisen und Problemen leichter – man betritt nicht jedes Mal „Neuland“, wenn man vor einer schwierigen Situation, einer neuen Herausforderung steht. Es liegen bereits Methoden und Lösungsstrategien vor. Und: Fehler, die ich einmal gemacht habe, mache ich kein zweites Mal mehr.
So bin ich stärker geworden – im Laufe meines Lebens. Vor allem innerlich. Ebenso wie der Kirschbaum auf dem Acker – mit Schrammen, Kratzern, großen und kleinen Schäden. Und wie „mein Resilienz-Baum“ als Symbol daheim in Nieder-Olm trage auch ich prachtvolle Früchte – im übertragenen Sinne: Es sind mein Wissen und meine Erfahrung bei der Bewältigung von Krisen, die ich gerne mit anderen Menschen teile.
Vom Udo Foerster
Genieße den Augenblick
Der Sommer hat uns mit Sonne verwöhnt – es waren viele – fast zu viele – wirklich warme und sonnige Tage. Es ist auch viel zu trocken in der Natur, in unseren Gärten und den Feldern und im Wald.
Doch trotz all der Bedenken und der zahlreichen Krisen, die uns zurzeit sehr berühren und sorgenvoll machen, trotzdem ist es einfach herrlich morgens den blauen Himmel zu schauen und die warmen Sonnenstrahlen auf der Haut zu spüren. Die Sonne strahlt und das geht uns doch direkt ins Herz – es wärmt uns von innen – unsere Seelen tanken auf!
Im August hat mich meine Mama für eine Woche besucht. Sie wohnt im Saarland, sie ist bereits 90 Jahre und sie kommt nicht mehr oft. Die Anreise mit der Bahn war auch gar nicht so einfach, aber sie hat es mit viel Mut und Geduld gut bewältigt! Wir waren darüber sehr froh und wir haben wirklich eine wunderbare Woche Urlaub bei uns zuhause verbracht.
In unserem Garten erblühte die schöne Sonnenblume und hat uns das Herz erfreut.
Sie ist ein Symbol der Hoffnung und Zuversicht, ein Symbol, das auf die Sonne – das Licht der Welt – hinweist und könnte sie sprechen, da würde sie etwa sagen:
„Mit meiner Blüte strahle ich dich an, ich verweise auf die Sonne, die uns immer wieder scheint und uns zeigen will, dass wir dem Leben trauen dürfen. Trotz vieler Grenzerfahrungen und Ängste bin ich ein Beispiel dafür, dass das Leben immer weiter geht. Ich drehe mein Gesicht immer zur Sonne hin, sie ist mein Lebenslicht und lässt mich wachsen und gedeihen, zu eurer Freude.“
Für mich war es in dieser Woche, die ich mit meiner Mama verbringen durfte, ein schönes Zeichen dafür, dass ich dankbar bin und den Augenblick genießen darf, der mir vom Himmel geschenkt ist.
Unser „Familienlied“ von Udo Jürgens: „Denn immer wieder geht die Sonne auf“ passt gut dazu.
Wenn sich im September der Sommer langsam verabschiedet, schauen wir auf die Blüte der Sonnenblume und dürfen immer wieder erfahren:
„Genieße den Augenblick – er ist ein Geschenk des Himmels!“
Das wünscht Ihnen allen von Herzen,
Bärbel Dörr – Gemeindereferentin, Kontakt zur katholischen Kirchengemeinde
Mit meinem Gott springe ich über Mauern!
Es war ein seltsamer Anblick! In einem wunderschönen Urlaubsgebiet in Deutschland hatten wir Quartier bekommen. Aber als ich morgens mit den Hunden durch die kleine Siedlung laufe, werde ich förmlich erschlagen. Mauern über Mauern, an jedem Grundstück hochgezogen, über-Manns-hoch. Aus Stein, aus Plastik, aus Holz- kein Einblick möglich, kein morgendlicher Gruß. Bedrohlich sah das aus, unwillkürlich fragte ich mich: welche Personen wohnen hier?
Mir kam das junge Paar in den Sinn, dass ich in Köln getraut hatte. Die Frau hatte durch Knochenkrebs ein Bein verloren, ein wenig steif ging sie mit ihrer Prothese am Arm ihres Mannes zum Altar- drehte sich um, und sagte laut ihren selbst gewählten Trauspruch in die Kirche hinein: „Mit meinem Gott springe ich über Mauern“.
Als sie ihn mir im Traugespräch das erste Mal sagte, zuckte ich zusammen, dachte sofort: wie soll das gehen- so- mit einer Prothese? „Ganz einfach“, antwortete sie mir auf meine Frage: „ich habe so viele Mauern in meinem Leben erfahren nach der Diagnose. So vieles, was ich nicht mehr konnte, so vieles, was mir andere nicht zutrauten, so vieles, was ich mir selber nicht zutraute. Und dann fand ich Menschen, die mir Mut machten, und dann lernte ich meinen Mann kennen, der mich liebt, so wie ich bin. Ich habe erfahren: Vieles überwinde ich, wenn mir andere zur Seite stehen, für viel mehr ist es wichtig, dass ich mir selber das zutraue, mir selber Mut zu spreche. Und zu allem macht mir auch Gott Mut.
Mich hat diese junge Frau sehr beeindruckt- auch wie sie ihren Trauspruch laut in die Gemeinde sprach. Auch hier stutzten erst alle, aber dann standen sie auf und beklatschten das junge Paar.
Das Leben stellt uns immer wieder Mauern in den Weg. Manche ziehen wir selber hoch, wie in dem Urlaubsgebiet, und sperren uns so vom Leben und der Begegnung aus. Manche werden uns in den Weg gestellt durch das Leben. Wir können daran verzweifeln, wir können aber auch an ihnen wachsen, ja „hochwachsen!“ Gerade in Pflege und Krankheit ist es ja so, dass wir, wenn wir davorstehen, meinen, wie soll das gehen? Und dann geht es, wenn andere mithelfen, wenn Mut zugesprochen wird, wenn wir zusammenhalten, aber auch unsere Grenzen kennen und Hilfen annehmen. Wenn ein Weg nicht geht, dann vielleicht ein anderer, wenn ich es selber nicht schaffe, dann vielleicht ein anderer für mich, wenn ich es mir selber nicht zutraue, dann kann ich mich manchmal sogar selber überraschen.
Mit meinem Gott springe ich über Mauern (Psalm 18,30)!
Nicht vor Mauern klein beizugeben- das habe ich von dieser jungen Frau gelernt. Ein Jahr später flatterte in meinen Briefkasten ein Brief von ihr mit einem Foto: da saß sie, ihr Mann neben ihr und in der Mitte ein kleines Baby, ihr Sohn- und hinten auf das Foto hatte sie geschrieben: „Ja, mit meinem Gott springe ich über Mauern!“
Einen guten Sommer mit manchem „Mauersprung“ wünscht
Ute Weiser, Ev. Kirchengemeinde Bad Kreuznach
Verbundenheit in Formen des Gebets
Gerne möchte ich in dieser Ausgabe der Seelentanke noch einmal auf der Spur der „Sehnsucht nach Verbundenheit“ gehen, die Frau Marx im Juni beschrieb:
Wahrnehmen, wo und mit wem fühle ich mich gut und hilfreich verbunden in meinem Alltag, in meinen kleinen und großen Themen meines Lebens und des Lebens um mich herum.
Ja, ich kann bestätigen, „mich verbunden fühlen“, das ist eine wertvolle und stärkende, haltende Kraft.
Derzeit erschließt sich mir vor allem die Möglichkeit der „Verbundenheit im Gebet“ immer wieder ein Stück neu.
Ganz unterschiedlich zeigt sich mir diese, unterschiedlich macht sich mir diese spürbar.
Gott sei Dank unterschiedlich, möchte ich sogar sagen,
denn nicht jeder Tag ist gleich, nicht an jedem Tag kann ich mich in gleicher Weise Gott im Gebet zuwenden und meiner Verbindung zu ihm und seiner Verbindung zu mir nachspüren.
In einer Woche im Mai lernte ich im Haus der Stille der ev. Kirche im Rheinland in der Gebetsweise der Kontemplation kennen, wie mein gedankenvolles Beten im Laufe der Tage in der Stille immer mehr zur Ruhe finden konnte. Nicht nur Ruhe im Kopf wurde mir erfahrbar, sondern Ruhe in mir drin. In ihr – meine ich – das „pure Ja“ Gottes habe wahrnehmen zu können, seine zugewandte Gegenwärtigkeit in mir, ohne Anstrengung meinerseits. Diese Erfahrung war mir ein Geschenk und ich trage ihre Wirkung in meiner Erinnerung tief in mir. Sie ist mir nicht abhandengekommen und doch konnte ich diese Erfahrung nicht genauso halten wie in dieser Woche in der Stille. Es sind wohl auch besondere Zeiten, in denen dies möglich wird.
Im Alltag rückten andere Themen und Herausforderungen diese besondere Ruhe im Gebet wieder zur Seite.
Doch wie ein Punkt oder wie ein Faden bleibt mir diese Erfahrung der mir zugewandten und verbundenen Gegenwärtigkeit Gottes mitten in der Unruhe derzeit immer wieder erfassbar. Ein „Punktgebet“ oder „Fadengebet“. Es erinnert mich auch an das Bild der „Tiefenbohrung“ wie die Mystikerin Madeleine Delbrêl es zum Ausdruck gab, an das „rasche Untertauchen in Gott im Laufe des Tages“, wie sie formulierte.
Oder mein Erleben der Natur wird für mich zum Gebet, wenn ich meinen Dank dafür spüre, meine Freude, meine bescheidene und doch ganz existente Verbindung in ihr mit der großen Schöpferkraft Gottes, die so Wunderbares schafft.
Auch das sind dann Ruhe-Inseln, in denen mir Gottes Gegenwärtigkeit still und kraftvoll spürbar wird.
Ein Text der ökumenischen Iona- Kommunität, den ich erst kürzlich entdeckte, drückt für mich unsere Schöpfungsverbundenheit in Gott ganz besonders aus.
Vielleicht spricht der Text auch Sie an und wird für Sie ein großes wunderbares und verbindendes Gebet.*
Am Anfang schuf Gott die Welt:
Schuf sie und zog sie auf, formte sie und hielt zu ihr,
füllte sie mit Samen und Zeichen der Fruchtbarkeit,
füllte sie mit Liebe und die Menschen mit Begabung.
Alles, was grün, blau, tief ist oder wächst:
Durch Gottes Hand bist du geschaffen.
Alles, was zart, fest, duftend oder eigenartig ist:
Durch Gottes Hand bist du geschaffen.
Alles, was kriecht, fliegt, schwimmt, geht oder reglos ist:
Durch Gottes Hand bist du geschaffen.
Alles, was spricht, singt, weint, lacht oder schweigt:
Durch Gottes Hand bist du geschaffen.
Alles, was leidet, mangelt, hinkt oder am Ende ist:
Durch Gottes Hand bist du geschaffen.
Die Welt gehört Gott.
Die Erde und alle ihre Menschen gehören Gott.
* Aus der Liturgie der Iona- Kommunität
Diakonin Annette Stambke
Sehnsucht nach Verbundenheit
Vor Kurzem habe ich einen Vortrag der bekannten Traumatherapeutin Luise Reddemann gehört, mit dem Inhalt „Was uns in Krisen hilft“. Der Vortrag hat mich beeindruckt, vor allem wurde mir eine Empfehlung von ihr sehr wichtig:
„Verbundenheit wahrnehmen“
Gerade in diesen unsicheren Zeiten, wo ein anscheinend unlösbarer Krieg in Europa unsere Seele bedrückt und viele von uns sich vermutlich fragen, wohin das noch führt, hilft es mir zu überlegen, was jetzt guttut. Und ja, ich stelle fest, gerade das Gefühl der Verbundenheit, des Eingebundenseins, des Nicht-Alleine-Seins hilft mir, mit meinen Ängsten und Stimmungen umzugehen.
Vielleicht haben Sie ebenso wie ich gerade jetzt auch eine besonders große Sehnsucht nach Verbundenheit? Vielleicht auch gerade jetzt, wo die Corona-Pandemie uns aus ihren ganz strengen Fesseln entlässt?
Ich frage mich: Wo und wann ist Verbundenheit für mich spürbar? Und wie kann ich dieser Sehnsucht nachgehen, um sie zu erfüllen? Was kann ich dazu beitragen, um mich für das Erleben von Verbundenheit zu öffnen?
Mir fallen spontan ein paar Alltagssituationen ein:
Wie gut hat mir gestern das persönliche Gespräch mit meiner Kollegin getan, in dem wir unsere Sorgen und Befürchtungen teilen konnten. Und auch das Telefonat mit einer Freundin, die ich lange nicht gesprochen habe, ruft in mir ein wohliges Gefühl hervor.
Wie sehr genieße ich gerade einen Spaziergang in der Sonne, die Wärme, das Zwitschern der Vögel, die Grünkraft der Natur und das Strahlen der gelben Rapsfelder und ich mitten drin – verbunden mit all der Schönheit von Gottes Schöpfung.
Auch das gemeinsame Gebet im Gottesdienst für die Menschen in der Ukraine verbindet und ruft in mir ein gutes Gefühl der Verbundenheit hervor – all dem Leid und dem Schlimmen zum Trotz.
Und der Regenbogen als christliches Symbol von Gottes Bund mit den Menschen, erinnert mich daran, dass auch der dreieinige Gott mit mir in Verbundenheit leben will. Es ist wie ein kleiner Erinnerungsgruß vom Himmel, mit dem Gott mir zuruft: „Ich bin da!“
Wie gut es tut, all dies bewusst wahrzunehmen und mich daran zu erinnern!
Machen Sie gerade auch ähnliche Erfahrungen? Wo und wie erleben Sie das Gefühl der Verbundenheit? Vielleicht fallen Ihnen ganz andere Erlebnisse dazu ein?
Ich wünsche uns, dass wir der Sehnsucht nach Verbundenheit in uns Raum geben und die alltäglichen Gelegenheiten nutzen, um Verbundenheit spürbar werden zu lassen!
Ihre Annerut Marx
Der Glaube muss erlebt und gelebt werden
Maria Magdalena geht am Ostermorgen zum Grab, es ist leer. Und als sie der vermeintliche Gärtner mit ihrem Namen ruft: „Maria“, erkennt sie Jesus, der nicht im Tod geblieben ist, sie erkennt ihn als Lebendigen. Bei ihrem Namen gerufen, erfährt Maria ganz leise ein Stück vom Wunder der Auferstehung, davon, dass der Tod und Gewalt nicht das letzte Wort haben über unser Leben. Maria wird durch die Begegnung am Grab selbst verwandelt. Von der Trauernden wird sie zur Verkünderin. “Ich habe den Herrn gesehen! Jesus ist neu in mein Leben getreten, als ich dachte, jetzt ist alles vorbei hat er mich bei meinem Namen gerufen“ .
Ich denke Ostern kann man nicht theoretisch glauben. Auch Trauer und Freude kann man nicht theoretisch besprechen, es muss erlebt und gelebt werden. Die Urerfahrungen des Lebens gehen nicht zuerst durch den Kopf, sondern durch Mark und Bein, durch Leib und Seele. Glaube ist immer für den Ernstfall. Man muss mit eigenen Füßen, mit eigenen Herzen die Wege mitgehen, die andere vor uns gegangen sind. Die Bibel erzählt Landschaften von Trauer und Trost und wie die Zeuginnen und Zeugen vor uns darin gegangen sind. In unseren Andachten, Gottesdiensten und Gesprächen miteinander malen wir an diesen Landschaften weiter, mit unserem Kummer und unsere Hoffnung, dass Gott seine Wunder auch bei uns geschehen lässt, dass auch wir heute aus Not und Tod gerettet werden und er den Gewaltherrschern nicht den Triumph überlässt.
An Ostern, jedes Jahr auf neue, gehen wir mit Maria Magdalena mit, werden bewegt, werden bei unserem Namen gerufen, werden verwandelt von der Dunkelheit ins Licht.
Und an Ostern besingen wir das Wunder der Auferstehung, wir feiern das Geheimnis und erforschen, ob Ostern auch unser Leben trägt und hält, auch dann, wenn es ernst wird. Und vielleicht werden auch wir zu Zeuginnen und Zeugen: “Ja, ich habe den Herrn gesehen. Er ist wahrhaftig auferstanden. Darum fürchte ich mich nicht und habe Mut für jeden neuen Tag.“
Sabine Stierle, Pfarrerin Ev. Kirchengemeinde Bad Kreuznach
Resilienz und die Macht des Geistes: Wege aus der Dunkelheit
Stellen Sie sich vor, es ist dunkel. Ja, Sie befinden sich in einem sehr dunklen Raum. Was geht Ihnen durch den Kopf? Was denken Sie? Warum bin ich hier? Wie komme ich hier raus?
Sie sind extrem angespannt. Emotional – auch physisch. Ihr Puls ist schnell, der Atem fliegt. Unsicherheit, Hilflosigkeit, Angst bestimmen ihre Gefühle. Panik zieht auf.
Bedenken Sie jedoch eins: Sie sind bei klarem Verstand. Ihr wichtigstes Werkzeug arbeitet einwandfrei – Ihr Geist / Ihr Gehirn. Setzen Sie dieses Werkzeug ein. Denken Sie! Denken Sie über Ihre Situation nach. Analysieren Sie die Lage möglichst präzise – und atmen Sie dabei. Ruhig und beständig.
Hören Sie auf ihren Atem, versorgen Sie ihren Körper und ihr Gehirn ruhig und beständig mit lebenswichtigem Sauerstoff. Ruhig und beständig. Dann analysieren Sie weiter. Was folgt nach der Beschreibung der Situation?
Sie entwerfen Handlungsmöglichkeiten, um Ihrer Situation zu entkommen. Oder mehrere Handlungsalternativen zum Beispiel, die Sie in die Tat umsetzen. Als Erstes schauen sich konzentriert im Raum um. Gibt es irgendwo eine Tür? Ein Fenster? Sie orientieren sich, Sie reflektieren Ihre Situation erneut. Bewusstes Reflektieren und das ruhige Entwerfen alternativer Lösungen bringt Sie ans Ziel. Sie finden einen Ausgang, öffnen ihn und gehen hinaus.
Situationen dieser Art sind im Alltag eher untypisch. Hier spricht man eher von Überreizung, Überforderung durch Unbekanntes und Unerwartetes sowie Überlastungen, die zu Stress führen. Das Problem: Die Leistung des Gehirns, des rationalen Denkens wird zunächst beeinträchtigt. Sie geraten in eine Art mentale Schock-Starre. Man befindet sich im Zustand der so genannten „Verengung“, wie sie der Kölner Personalberater und Wissenschaftler Andreas Seitz in seinem Buch „Durch die Krise führen“ auf Seite 20 beschreibt.
Merkmale / Kennzeichen sind:
- Eine verengte Perspektive
- Eingeschränkter Zugang zu internen und externen Ressourcen
- Angst und Unsicherheit
- (Selbst-)Vertrauensverlust
- Starre und Schuldzuweisungen
- Wirkungslose, unklare Kommunikation
- Vorurteile
- Impulsivität
Erst wenn es gelingt, die eigene Situation klar zu analysieren und Handlungsalternativen zu entwickeln, ist man einen Schritt weiter. Man befindet sich in der Phase der Öffnung bzw. der Lösungsentwicklung.
Auch hier findet man am Ende einen Ausgang.
Verinnerlicht man ein solches methodisches Vorgehen in der Reaktion auf Stress-Situationen, hat man die erste Stufe einer eigenen „Resilienz“ erreicht – und man findet den Weg zu neuem Handeln.
Nach landläufiger Definition bedeutet „Resilienz“ nichts anderes als die Fähigkeit, gelassener auf Stress auslösende Reiz zu reagieren. Dabei ist es wichtig, diese Methodik konsequent anzuwenden – je öfter, je vielfältiger die Herausforderungen und die Lösungen, desto stärker die eigene Resilienz.
Resilienz hilft im Umgang mit Krankheit, Burnout, Überlastung – auch bei Pflegenden – ja sogar beim Tod naher Angehöriger.
Wenn Sie das nächste Mal eine Art von Dunkelheit erleben, bleiben Sie nicht erstarrt, atmen Sie ruhig und beständig – und nutzen Sie Ihr wichtigstes Werkzeug – Ihren Geist / Ihr Gehirn.
Und vor allem: Bleiben Sie optimistisch! Denn Optimismus ist einer der wichtigsten Resilienz-Booster. Ebenso Selbstvertrauen. Denn eins sollte Ihnen klar sein: Sie bestehen jede Herausforderung! Vertrauen Sie auf sich, Ihre geistige Flexibilität und Ihre Lösungskompetenz!
Dazu ein Wort zum Schluss – aus der Feder des renommierten Börsen- und Finanzexperten André Kostolany (1906 – 1999): Wenn die Nacht am Finstersten ist, ist der Morgen am Nächsten.
Text:
Udo Foerster
Bärbel Dörr: „Freiräume“
Im März heißt es wieder aufatmen, nach dem langen Winter kündigt sich endlich der Frühling an. Wir können es förmlich spüren und riechen. Das Licht hat sich verändert, die Tage werden länger und die Sonnenstrahlen wärmen schon die Seele.
Aufatmen und Auftanken – das ist unsere Sehnsucht in dieser Zeit.
Nach den Faschingstagen – die ja mal wieder ausgefallen sind – kommt nun die Fastenzeit bis zum Osterfest und das ist ja eine besondere Zeit zum Innehalten. Wir können die Veränderungen in der Natur beobachten und auch in unserem Alltag wollen wir jetzt einiges ändern. So wie wir die dicken Winterjacken und Wollpullover aussortieren und die Schränke aufräumen, können wir das auch im persönlichen Bereich.
- Vielleicht wollen wir unsere eingefahrenen Essensgewohnheiten verändern und etwas Gewicht verlieren, oder uns besser und gesünder ernähren.
- Vielleicht wollen wir uns öfter mal bewegen und etwas mehr Sport treiben.
- Vieleicht wollen wir unseren Terminkalender entschlacken, mehr Prioritäten setzen und Zeit gewinnen für die wichtigen Dinge im Leben.
Zeit für uns selber!
Wenn solche und ähnliche Prozesse bei uns in Gang kommen, dann kann es ein Beginn sein, unsere Seele wieder aufzutanken! Den Staub des Winters und den Ballast wollen wir abwerfen und mit „leichtem Gepäck“ weiterreisen. Das eröffnet uns Freiräume, die wir so dringend brauchen – wie die Luft zum Atmen. Diese Freiräume erhoffen wir uns in diesem Monat, sie helfen uns beim Bewältigen unserer vielfältigen Aufgaben in Familien und Beruf. Wir hoffen auf Erleichterungen bei den Corona-Maßnahmen und wieder mehr Möglichkeiten unsere guten Kontakte und Freundschaften zu pflegen, um unsere Kontakte und Freundschaften pflegen zu können.
Echte Freundschaften und gute Beziehungen machen unser Leben lebenswert und können so manche schwierige Zeiten heller machen.
Ein achtsamer Umgang mit uns selber und unseren Mitmenschen hilft uns freizuräumen, Kraft zu tanken und zuversichtlich in den Frühling zu gehen.
Das wünsche ich Ihnen in dieser Zeit von Herzen!
Bäbel Dörr
Ansprechpartnerin und Seelsorgerin in der katholischen Kirchengemeinde der Stadtpfarrei Heilig Kreuz.
Diakonin Annette Stambke: „Orientiere dich am Licht“
So hörte der Autor Sebastian Schmid in seinem gleichnamigen Gedicht die drei Weisen zu sich sprechen, als er sie nach dem ´Woher komme ich` und ´Wohin gehe ich` fragte.
„Orientier dich am Licht“ kann auch einen Monat nach dem Jahreswechsel noch eine Weisung sein, die uns guttun kann, die fast für sich selbst spricht in dieser Zeit.
Im Februar spüren wir schon ganz deutlich, dass der Winter nicht mehr so lange dauern wird. Die Tage sind wieder länger hell, die Sonnenstrahlen wärmen uns schon ein wenig, die ersten Frühlingsblumen strecken ihre Spitzen aus der feuchten Erde hin zum Licht.
In der katholischen Tradition der Feier zu Maria Lichtmess am 2. Februar wurden früher an diesem Tag in der Messe die Kerzen geweiht, die die Familie das Jahr über brauchte und es gab Anfang Februar Kerzen- und Wachsmärkte, sogenannte Lichtermessen.
Im jüdischen Kalender gilt der zweite Monat als Brückenmonat. Wird der erste Monat als Monat der Erlösung bezeichnet, in dem das Licht des Ewigen dem Volk Israel erscheint, ohne dass es etwas dafür tun muss, soll im Brückenmonat der Mensch das Licht aufnehmen und verinnerlichen und es dann wieder in die Welt einbringen.
Wir sind als Menschen eingebunden in die Natur und ihre Rhythmen und Kräfte seit Anbeginn der Schöpfung, auch in unserer hochtechnisierten Zeit. In ihnen entdecken wir nicht nur die Verbindung zu unserer körperlichen Lebendigkeit durch die Tage und Jahre unseres Lebens hindurch, sondern wir entdecken auch den Bezug zu unserem Geist und zu unserer Seele, zu unseren Wiederholungen und zu unserem Wandel, zu unseren Bedürfnissen und zu unseren Kraftquellen, zu unserem Glauben und seinen Bildern und Lichtworten.
Wenn wir nun im Februar das langsam wachsende Licht genießen, wenn wir unser Gesicht ihm entgegenstrecken und seine milde Wärme auftanken und seinen zarten Schein, dann mag es auch in unserer Seele flüstern „orientier dich am Licht“. Es ist da.
Diakonin Annette Stambke, Seniorenhilfe Stiftung kreuznacher diakonie