Das Interview führte Christine Wolf.
Wann haben Sie die ersten Anzeichen für die Erkrankung bemerkt und welche waren das?
Das war im Rückblick ein schleichender Prozess. Meine Mutter hat einfach Sachen vergessen und verlegt. Plötzlich hatte sie auch meinen Namen vergessen – da waren wir alarmiert. Ich sprach zunächst mit dem Hausarzt meiner Mutter. Er untersuchte sie ausführlich und am Ende der Untersuchungen stand die Diagnose vaskuläre Demenz.
Wie haben Sie erfahren, ob und unter welche Unterstützungen Sie unter welchen Bedingungen bekommen können?
Der Hausarzt hat mir den Kontakt zu einem ambulanten Pflegedienst empfohlen. Dort fand ein ausführliches und kostenloses Informationsgespräch mit der Leiterin statt. So habe ich von den unterstützenden Möglichkeiten und den damit verbundenen Kosten erfahren. Ich habe die Pflege aber zunächst selbst übernommen.
Haben Sie eine Schulung für den Umgang demenziell erkrankten Menschen bekommen?
Ich habe einen Kurs besucht – der hat mir viel gebracht. Durch die theoretischen Kenntnisse über das Krankheitsbild konnte ich das Verhalten meiner Mutter besser verstehen und insbesondere mit der Aggression meiner Mutter besser umgehen. Ich habe ihr Verhalten nicht mehr persönlich genommen, sondern konnte die Situation richtig einordnen und bewerten.
Die Demenz verändert die betroffenen Menschen und damit auch die Beziehung zu den Angehörigen.
Was waren die schwierigsten Momente?
Als sie mich nicht mehr erkannt hat – das was das Schlimmste! Aber auch ihre Ausdrucksweise. Plötzlich hat sie vulgäre Worte benutzt – das kannten wir von ihr nicht. Und dann natürlich die sich ständig wiederholenden Fragen, Sätze und Handlungen. Mit den Aggressionen habe ich ja gelernt umzugehen, dennoch haben sie bei mir Spuren hinterlassen. Und schließlich ist es hart zu sehen, wenn die eigene Mutter mehr und mehr die Kräfte verliert.
Welchen Auswirkungen hatte die Demenz und die Pflege auf die restliche Familie?
Leider hat sich nur ein kleiner Teil der Familie eingebracht. Manchen fehlt es an Empathie und andere Familienangehörige haben sich sogar von meiner Mutter und uns abgewendet. Das führte bei mir zu einer weiteren psychischen Belastung.
Haben Sie mit anderen Pflegenden in Selbsthilfegruppen ausgetauscht?
Ja, das war sehr hilfreich und wir sind auch weiter im Kontakt.
Wie lange haben Sie Beruf, Familie und Pflege miteinander vereinbaren können?
Etwa 3 Jahre – danach wurde ich Rentnerin. Das hat mir den Tagesablauf erleichtert – aber die Belastung war enorm, weil sich mein Tag permanent den Anforderungen meiner Mutter unterordnen musste.
Irgendwann haben Sie dann einen ambulanten Pflegedienst als Unterstützung dazu geholt. War der Zeitpunkt aus heutiger Sicht zu spät und warum haben Sie sich nicht früher dazu entschlossen?
Im Rückblick hätte ich mich früher dazu entscheinen müssen. Schon in der Phase der „Vergesslichkeit“! Aber man glaub es alleine schaffen zu können. Irgendwann ist der seelische Druck aber so groß, dass es nicht mehr anders geht.
Wie lange war Ihre Mutter noch integrierter Teil der Familie?
Sie war noch etwa 6 Jahre bei uns. Dann ging es nicht mehr. Wir haben Sie in ein Seniorenheim bringen müssen – dort lebt sie auf einer Demenzstation. Sie weiß nicht mehr wer ich bin!
Was waren die Hauptgründe für die vollstationäre Unterbringung?
Sie hat sich trotz gewohnter Umgebung verlaufen – kannte sich nicht mehr aus. Die Aggressionen gegenüber uns wurden stärker, sie hat den Elektroherd und die Dusche vergessen auszumachen und auch die Sturzgefahr innerhalb der Wohnung hatte zugenommen.
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