Das Interview führte Joachim Kübler

Diana Dietrich, Wohnbereichsleitung Haus St. Josef

 

Wann ist eine vollstationäre Versorgung von Menschen mit demenziellen Erkrankungen aus ihrer Sicht notwendig?

Diese Frage ist nicht einfach so zu beantworten. Ist ihr Leben in Gefahr oder können sie allein zu Hause nicht mehr Leben, ist eine Stationäre Versorgung unumgänglich. Starkstrom kann man abschalten zum Beispiel. Aber kann ein demenziell erkrankter Mensch nicht mehr allein sein, oder keine Sekunde mehr zu Hause allein sein? Eine Treppe kann man absichern, doch kann der Mensch die Absicherung durchbrechen, ist es zu Hause sehr gefährlich? Läuft der Mensch ständig aus dem Haus und findet den weg nicht mehr nach Hause oder erkennt auf der Straße die gefahren nicht mehr? Dann ist eine vollstationäre Versorgung angebracht. Der Fall ist auch so, wenn sich das Leben der Angehörigen nur noch um den demenziell Veränderten Meschen dreht und sie ihr eigenes Leben nicht mehr führen können. Daran können Familien kaputt gehen. Auch dann ist eine Vollstationäre Versorgung notwendig.  Letztendlich ist es aber immer eine Einzelfallentscheidung und kann nicht pauschal gesagt werden. Natürlich wenn es Geld und Möglichkeiten gibt, alles zu tun, kann eine demenziell erkrankter Mensch sehr lange zu Hause bleiben, muss eventuell auch nie in eine Vollstationäre Einrichtung. Es ist wichtig auf alle beteiligten zu schauen und das Beste für den Menschen individuell zu finden.

Wie sollte man seine Angehörigen auf den Umzug ins Heim vorbereiten?

Die Menschen wissen, dass wenn sie in ein Seniorenheim gehen, dass sie alles weggenommen bekommen. Und Sie wissen, dass sie nie wieder nach Hause kommen, dass sie bald sterben werden und sie müssen mit dem älter werden klarkommen.  Mit dem Begriff weggenommen meine ich:  Erst wächst man heran, vom Kind zum Erwachsen, von Single zu verheiratet, von kinderlos zu Kindern. Und danach? Die Kinder ziehen aus, der Mensch verlier seine Arbeit, weil er in Rente geht, verliert den Ehepartner, Freunde, Geschwister und dann das zu Hause. 

Als Kind, als Familie sollte man das Thema, Seniorenheim schon früh ansprechen. So früh, wo es noch gar keinen Grund dafür gibt in ein Seniorenheim zu ziehen. Damit die Familie weiß, was der alte Mensch will. Das heißt zwar noch lange nicht, wenn es so weit ist, dass der Mensch dann ganz freiwillig ins Seniorenheim geht, aber jeder hat darüber nachgedacht und sich mit diesem Thema auseinandergesetzt. Für alle Beteiligten ist dieser Schritt schwer und verändert das Leben. Wenn es so weit ist, kann man es nur so angenehm wie möglich machen. Wenn sich kognitiv fitte Menschen dafür entscheiden, ist dies für sie nicht einfacher im Gegenteil. Demenziel veränderte Menschen kommen, in den meisten Fällen, besser damit klar. Der Vorteil der Demenz, sie vergessen. Aber dies kann man nicht pauschal sagen.

Wie oft sind Besuche von Angehörigen ratsam?

Auch dies ist sehr unterschiedlich. Manche freuen sich über Öfteren Besuch in der Woche. Für manche ist dies nicht gut, wenn Angehörige kommen. Die professionellen Pflegekräfte sehen dies, wenn es nicht gut ist, wenn zu oft Besuch kommt oder zu wenig und sprechen dies auch mit den Angehörigen ab. Aber ob die Familie dies dann genau so sieht, ist dann die Frage. Für mich ist am wichtigsten, wie es dem Bewohner geht und dem soll es immer gut gehen, er soll nicht leiden. 

Kann man den Angehörigen gegeben falls auch wieder nach Hause nehmen?

Ja, unter Einhaltung der Kündigungsfrist, die im Heimvertrag steht, können Sie ihren Angehörigen auch wieder mit nach Hause nehmen. 

Können an Demenz erkrankte Menschen auch gegen ihren Willen ins Pflegeheim gebracht werden?

Unter bestimmten Vorsetzungen kann ein Gericht eine Unterbringung in einer geschlossenen Einrichtung beschließen. Dies ist aber sehr schwierig, da dies sind freiheitsentziehende Maßnahmen sind. Gibt es auch nicht viele in Deutschland, geschlossene Demenzbereiche. 

Auf der anderen Seite erzählen Angehörigen auch dem alten Menschen, du machst hier nur Urlaub im Seniorenheim. Aber in Wirklichkeit ist schon ausgemacht, dass sie in der Einrichtung bleiben. Ich sage immer diesen Angehörigen dann, „dass ich und meine Kollegen diese Lüge nicht mittragen“. Wir sagen, „sie wohnen jetzt hier“, „hier ist ihr zu Hause“. Eine Lüge macht alles nur schlimmer.  Das heißt, offiziell gegen den Willen, geht es nur per Gericht; inoffiziell geht es mit einer Lüge und die Ausnutzung der demenzielen Erkrankung. Wenn heute jemand aus dem Haus läuft, kann ich ihn auch nicht zwingen mit mir zurückzugehen, ich kann ihn nur dazu überreden, ihn überzeugen jetzt mit mir wieder mit zu gehen. 

Ab welchem Pflegegrad werden welche Kosten übernommen bzw. wie hoch ist der Eigenanteil?

Pflegegrad Heimkosten, mtl. Abzüglich Pflegekasse Eigenanteil Heimkosten mtl.
1 2.776,43 €   125,00 € 2.651,43 €
2 3.142,69 €   770,00 € 2.372,69 €
3 3.634,58 € 1.262,00 € 2.372,58 €
4 4.147,77 € 1.775,00 € 2.372,77 €
5 4.377,74 € 2.005,00 € 2.372,72 €

 

Welche Anzahl an Pflegeplätze für demenziell erkrankte Personen haben Sie?

Wir haben drei Wohnbereiche, auf jedem Wohnbereich leben demenziel veränderte Menschen. Die meisten dort auf dem WB 1 und WB 2 nicht ganz so weit fortgeschritten oder Bettlägerig. Im EG, Leben 28 Bewohner die fast alle Demenziell Verändert sind, aber schon weit fortgeschrittener sind und die auch teilweiße eine Hinlauftendenz haben. Das EG ist ein geschützter Bereich. Dies heißt, dass alle Türen offen sind, aber Alarm gesichert sind.  

Sind das Einzelzimmer?

Auf allen drei Wohnbereichen, leben jeweils 28 Bewohner. Davon ist jeweils auf jedem Wohnbereich ein Doppelzimmer, die restlichen 26 Zimmer sind Einzelzimmer. 

Dürfen Bewohner eigene Möbel mitbringen?

Natürlich, die Bewohner und ihre Angehörigen dürfen das Zimmer gestalten mir ihren Möbeln und Bilder, so wie es Ihnen gefällt. Natürlich unter der Berücksichtigung, dass die pflegerische Versorgung auch noch geschehen kann. 

Haben Sie verschieden Wohnbereiche und wie unterscheiden die sich?

Ja, wir haben drei Wohnbereiche. Auf allen Wohnbereichen leben die unterschiedlichsten Menschen mit den unterschiedlichsten Krankheiten und den unterschiedlichen Ressourcen. Im Erdgeschoss wohnen fast ausschließlich demenziell veränderte Menschen, die teilweise eine Hinlauftendenz haben. Die betagten Menschen im Erdgeschoss sind fortgeschrittener, beziehungsweise stark demenziell beeinträchtigt. 

Welche speziellen Ausbildungen haben die Mitarbeitenden?

Wir haben Altenpfleger/in, Altenpflegerhelfer/in, Pflegehelfer/in, Krankenschwester/pfleger, Krankenpflegerhelfer/in, Auszubildende in der Generalistik, Auszubildende zur Altenpflegerhelfer/in, palliativ Fachkraft, Wundmanager, Praxisanleitungen, Wohnbereichsleitung, Alltagsbegleiter, Hauswirtschaftskraft.   Aber das wichtigste ist, alle die im Erdgeschoss arbeiten, arbeiten gerne dort. Denn es ist nicht immer einfach, gerade psychisch und auch physisch auf einem Demenz Bereich zu arbeiten. Wenn viele auch ein herausforderndes Verhalten haben. Natürlich arbeiten die anderen verschiedene Kräfte genauso gern auf ihren Wohnbereichen. Der Demenzbereich ist etwas Besonderes, da kann und will nicht jeder arbeiten. 

Welche Anzahl an zu Pflegenden werden von den Mitarbeitenden gepflegt?

Im Frühdienst arbeiten 4 Pflegekräfte, davon mindestens 1 Fachkraft, 1 Alltagsbegleitung, 1 Hauswirtschaftskraft, die Schüler laufen zusätzlich.Im Spätdienst sind es zwei Pflegekräfte, davon 1 Fachkraft und 1 Alltagsbegleitung. Im Nachtdienst sind es zwei Pflegekräfte für das ganzen Haus, davon 1 Fachkraft. Die alle teilen sich in den verschiedenen Schichten die arbeit. Ehrenamtliche sind auch sehr gerne gesehen bei uns, doch seit der Pandemielage, sind diese nicht mehr auf dem Wohnbereich vertreten. 

Sieht Ihr Pflegekonzept eine Bezugsperson vor?

Ja, jede Fachkraft, hat ihre Bezugspflege im Wohnbereich. Doch alle Fachkräfte müssen sich um alle Bewohner, Angehörigen und die Akten kümmern. 

Versorgung und Unterkunft sind, die eine Sache werden die Bewohner proaktiv betreut oder aktiviert? Was macht ihr Pflegekonzept bzw. Ihr Haus besonders gut?

Zum einen haben wir viele Alltagsbegleiter im Haus. Diese machen enorm viel an Aktivierungen. Wie zum Beispiel, Zeitung lesen, basteln, singen, nähen, backen, kochen, Männerstammtisch, basale Stimulation, Handmassage, tanzen, Gymnastikrunden, Gedächtnistraining, Gottesdienste, Bepflanzung des Gartens. 

Die Feste werden gefeiert, wie sie fallen, von Fasching zu Ostern, St. Martin, Weihnachten, St. Josefs Tag, die Adventszeit, Nikolaus, Sommerfest, die Jahreszeiten, Silvester, Fußball Europameisterschaft und Fußball Weltmeisterschaft, Grillfest.Es werden Ausflüge gemacht, mit dem Schiff, Bus oder einfach zum Markt. Die Clowns kommen ins Haus, die Therapiehunde kommen ins Haus, Ausstellungen finden im Haus statt, Modemobil kommt ins Haus, Polizeiorchester, Alleinunterhalter. Zum anderen haben wir ein großes Netzwerk an Ehrenamtlichen und viele Kontakte. Dies alles macht uns besonders, weiter macht uns besonders, dass wir das Hausgemeinschafts Konzept im Haus haben. Dies kurz erklärt, jeder hilft jedem, egal ob Bewohner oder Mitarbeiter. Und ich möchte sagen, wir haben großartige Rahmenbedingungen von unserem Träger für unsere Mitarbeiter. Dies finden Sie nicht überall. Weiter wollen wir uns stets verbessern, positiv verändern.